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MANAGEMENT-BUY-IN INS STILVOLLE MÖBELGESCHÄFT

Text: Thomas Corrinth, Fotos: VR Equitypartner

Nach über 30 Jahren Erfolgsgeschichte hat Signet Wohnmöbel, der oberfränkische Spezialist für stilvolle Funktions- und Schlafmöbel, auch seine Nachfolge erfolgreich geregelt – mit einem wohlüberlegten Management-Buy-iIn durch einen ehemaligen Mitarbeiter. Die Transaktion im Jahr 2020 wurde begleitet durch einen der führenden Eigenkapitalfinanzierer für den Mittelstand: VR Equitypartner erwarb an Signet Wohnmöbel eine Minderheitsbeteiligung und unterstützt den neuen CEO und Inhaber tatkräftig dabei, den Wachstumskurs des Unternehmens fortzuführen.

„Im Möbelbusiness muss man immer wieder aufs Neue diese Emotionalität, die man selbst in den Produkten sieht, an den Kunden vermitteln und sich sehr genau auf ihn einstellen. Und man muss gut antizipieren können, weil sich Geschmäcker und Kundenbedürfnisse stetig ändern. Das ist es, was mir, zusammen mit den vielfältigen ästhetischen Aspekten etwa durch die Produktproportionen, -oberflächen und -materialien, so großen Spaß macht an meiner Arbeit“, sagt Thomas Schlosser. Dem neuen Inhaber und CEO von Signet Wohnmöbel merkt man seine Leidenschaft für das, was er tut, sofort an. Der 58-Jährige kann auf eine jahrzehntelange Berufserfahrung in der Möbelbranche zurückblicken – unter anderem war er während seiner Laufbahn bereits früher schon einmal für Signet Wohnmöbel tätig. Daher ist es gut nachvollziehbar, dass die beiden Signet-Gründer Carola und Gerald Klimke in ihm einen würdigen Nachfolger sehen für ihr Lebenswerk: ein mittelständisches Unternehmen, das in über 30 Jahren zu einer renommierten Marke avanciert ist. Signet steht für zeitloses Design, hohe Funktionalität und Nachhaltigkeit, die Palette der ausschließlich in Deutschland produzierten Funktionsmöbel umfasst die Bereiche Sitzen, Liegen, Schlafen und Objektausstattung. Vor allem für seine hochwertigen Schlafsofas ist Signet bekannt. Dieses Gesamtpaket hat schließlich auch VR Equitypartner davon überzeugt, bei der Unternehmensübergabe und -weiterentwicklung zu unterstützen. Die Tochter der DZ Bank, dem Spitzeninstitut der Genossenschaftsbanken in Deutschland, identifiziert etablierte Mittelständler mit Potenzial für die nächsten Entwicklungsschritte und setzt bei ihren Beteiligungen seit mehr als 50 Jahren auf Kapital und unternehmerisches Know-how – ohne ins operative Geschäft hineinzuregieren.

„Es braucht eine spezielle Positionierung, um im wettbewerbsintensiven Möbelmarkt gut zu bestehen und auch Wachstumspotenzial zu nutzen. Mit dem Blick auf das Produktportfolio von Signet und die spezifische Betriebssituation – also besonders guter Kontakt zu Fachhändlern und ein hohes Qualitätsniveau als Marke – sind diese Voraussetzungen voll und ganz gegeben“, erklärt Christian Futterlieb, Geschäftsführer bei VR Equitypartner. Sein Kollege Daniel Schmidt, der Signet als Investmentdirektor betreut, ergänzt: „Mit Thomas Schlosser hat das Unternehmen einen neuen Manager, der sehr viel Branchenerfahrung hat und ein gutes Gespür dafür, wo das Unternehmen herkommt, welche Anforderungen Kunden und Branche an das Unternehmen stellen und wie es weiterentwickelt werden kann.“

Solide langfristige Finanzierung und ein Nachfolger mit Unternehmens-DNA

Im Zuge der Nachfolgeregelung im Jahr 2020 hat das Ehepaar Klimke seine Unternehmensanteile mehrheitlich an Thomas Schlosser übergeben. Eine Minderheitsbeteiligung zu jeweils gleichen Teilen erwarben VR Equitypartner und die von ihr gemanagte Gesellschaft für regionale Entwicklung in Bayern, die unter anderem mit EFRE-Fördermitteln der Europäischen Union ausgestattet ist. Auf diese Weise wurde der Kaufpreis für Thomas Schlosser darstellbar und das Unternehmen auf eine solide finanzielle Basis gestellt. Zugleich übergaben die Klimkes ihr Lebenswerk in die Hände eines absoluten Fachmanns, der die Unternehmens-DNA bereits kannte. Aufgrund früherer Erfahrungen mit anderen Private-Equity-Gesellschaften zunächst durchaus skeptisch, hat den neuen CEO das „hemdsärmelige“ Beteiligungskonzept von VR Equitypartner sehr schnell überzeugt: „Während ich im operativen Geschäft große Entscheidungsfreiheit genieße, steht mir Herr Schmidt bei strategischen Entscheidungen als richtiger Sparringspartner zur Seite – mit einer Expertise, die ich sehr schätze. Mir gefällt ebenso der langfristige Planungshorizont, bei dem ein Exit eben noch nicht von vorneherein vorprogrammiert ist. Und auch auf menschlicher Ebene funktioniert es sehr gut zwischen uns“, so Schlosser.

Gute Aussichten für zukünftiges Wachstum

Gemeinsames weiteres Wachstum versprechen sich VR Equitypartner und Signet Wohnmöbel durch das Umsetzen verschiedener strategischer Eckpfeiler: der Ausbau des Fachhandelgeschäfts und des Private-Label-Geschäfts in Deutschland, die kontinuierliche Ausweitung des Produktportfolios, ein noch größerer Digitalisierungsgrad in allen relevanten Unternehmensprozessen sowie die gezielte Expansion in benachbarte Auslandsmärkte wie z. B. die Schweiz. „Der Möbelmarkt wird vor allem durch drei Trends bestimmt: Digitalisierung, Individualisierung und ein steigendes Bedürfnis nach nachhaltig produzierten Produkten. In all diesen Bereichen ist Signet bereits sehr gut aufgestellt. Mit Blick in die Unternehmenszukunft sind wir also sehr optimistisch“, sagt Christian Futterlieb.


Nachfolge ist mehr als Staffelübergabe

Foto: A.C. Krings

Die Diplom-Kauffrau Isabelle Ziegler hat sich auf Coaching für Familienunternehmen spezialisiert. Hier beschreibt sie beispielhaft die Entwicklung einer nächsten Generation von Führung und Zusammenarbeit.

Lebenswerk: Frau Ziegler, wie offen sind Familienunternehmen gegenüber externen Coaches und Beraterinnen wie Ihnen?

Isabelle Ziegler: Ich würde sagen, Familienunternehmen sind zurückhaltender und schauen vor allem viel genauer hin, wen sie sich „ins Haus holen“ – fachlich, aber auch von der Haltung her. Und das gilt insbesondere dann, wenn es um die Themen Organisation und Führung geht. 

Lebenswerk: Können Sie das an einem Beispiel veranschaulichen?

Isabelle Ziegler: Ja, gern. Ich denke da beispielsweise an einen Fall, der vor etwas mehr als einem Jahr begann. Im Mittelpunkt steht Alexandra, deren richtiger Name natürlich anders lautet. Sie ist sehr smart und blickt mit Mitte 30 auf eine exzellente Ausbildung und zehn Jahre Berufserfahrung in verschiedenen Unternehmen zurück. Zur Zeit der Nachfolge standen ihr viele Türen auf dem Markt offen. Der Einstieg ins väterliche Unternehmen erschien ihr dagegen wie eine Einbahnstraße.

Lebenswerk: Warum hat sie sich dennoch zu diesem Schritt entschlossen?

Isabelle Ziegler: Sie nannte es eine Mischung aus Stolz, Pflichtgefühl und Gestaltungsfreude. Letzten Endes war es wohl ihre Überzeugung, dass es keinen Geeigneteren als sie für diese Aufgabe gab. Im Unternehmen war bereits ihr Cousin aktiv, der mit der Verantwortung als Technischer Leiter und Mitglied der Geschäftsführung zufrieden war und kein Interesse am CEO-Posten angemeldet hatte. Als Alexandra einstieg, um nach gut sechs Monaten den Vater offiziell abzulösen, begann sie zusammen mit der Geschäftsleitung und einigen anderen Führungskräften, die Unternehmensstrategie zu überarbeiten. Hier hatte sie klare Vorstellungen. Strategieentwicklung war auch zu ihren Zeiten als angestellte Beraterin der Schwerpunkt gewesen. 

Lebenswerk: Das klingt doch geradezu nach einer Bilderbuchnachfolge …

Isabelle Ziegler: Und dennoch wurde es binnen weniger Monate in der Belegschaft unruhiger. Alexandra wusste einerseits, dass sie irgendetwas ändern musste. Andererseits war noch nicht klar, wie und was genau: Herrscht seitens der Belegschaft Angst vor Veränderungen? Sind es Bedenken bezüglich ihrer Fähigkeiten? Ist die Geschäftsleitung offen für „weiche“ Themen wie Führung und Zusammenarbeit? Wie skeptisch ist sie bei externer Begleitung? Eine große Beratung kam für sie nicht infrage. Doch sie war über eine Empfehlung mit mir in Kontakt getreten und wollte testen, ob sie mit „Minimalinversion“ die Geschäftsleitung besser hinter sich bringen konnte. Es folgten mehrere Vorgespräche mit Alexandra selbst, ihrem Cousin, der Personalleiterin und mit dem langjährigen Prokuristen. Auf Basis dieser Vorgespräche entwickelte ich eine Ablaufdramaturgie für eine erste Zusammenkunft in Form eines Workshops mit der gesamten Geschäftsleitung. 

Lebenswerk: Was ist mit Ablaufdramaturgie gemeint?

Isabelle Ziegler: Die Ablaufdramaturgie ist mehr als eine Agenda. In ihr ist das Ziel jeder Fragestellung oder Übung formuliert sowie die dafür geplante Zeit und die konkrete Moderations-Methode. Sie gab der Nachfolgerin nach eigener Aussage Sicherheit und Vertrauen in meine Moderation.

Lebenswerk: Wie verlief der Workshop?

Isabelle Ziegler: Kurz vor dem Workshop kam Alexandras Skepsis zurück. Doch gleich nach den ersten Interaktionen zwischen der Gruppe und mir erkannte sie, dass ihre Leute dem Projekt Offenheit und Neugierde entgegenbrachten. Am Ende des Tages hatten wir gemeinsam viel erreicht: So bestand Einigkeit darüber, dass – neben dem Strategie-Thema – die Entwicklung einer „Organisation der nächsten Generation“ hohe Priorität haben musste. Wir haben Themen zur Entwicklung der „neuen Organisations-Generation“ definiert und gemeinsam vereinbart, diese modular anzugehen. Außerdem besaß die junge Geschäftsführerin ganz konkrete Informationen darüber, was der Organisation fehlte. Zum Beispiel eine „Regierungsansage“, die ihr Vater regelmäßig gemacht hatte. Alexandra, die einen ganz anderen Führungsstil bevorzugt, wurde schlagartig bewusst, dass es mindestens eine „Regierungsansage“ von ihr geben muss – eine, in der sie klarmacht, dass es ab sofort keine mehr gibt.

Lebenswerk: Wie ging es weiter?

Isabelle Ziegler: Coronabedingt haben wir einige Module virtuell und einige als Präsenzveranstaltung durchgeführt. Dabei haben wir erlebt, dass es für beide Formen Vor- und Nachteile gibt und dass selbst die Ü-60-Teilnehmer nach kurzer Zeit sehr gut mit der Technik zurechtkamen. Wir haben pragmatische und konkrete Maßnahmen für die Organisation aufgesetzt. Im Nachgang war ich als Coach zum Teil bei der Konkretisierung des Projektziels und der Vorgehensmethodik dabei. Die Umsetzung erfolgte dann überwiegend mit hausinternen Ressourcen.

Lebenswerk: Wie lautet Alexandras Fazit?

Isabelle Ziegler: Sie meinte: Unternehmensnachfolge ist mehr als eine Staffelübergabe. Ihr Unternehmen befindet sich inzwischen auf einem guten Weg, eine neue Organisationsgeneration zu formen mit einer neuen Art von Verantwortungsübernahme und Entscheidungsfindungsprozessen. Zwar hat ein langjähriger Mitarbeiter der Geschäftsleitung das Unternehmen verlassen, da er den neuen Weg nicht mitgehen wollte oder konnte. Es überwiegt aber die Zustimmung, insbesondere bei jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Lebenswerk: Inwieweit ist dieser Fall exemplarisch?

Isabelle Ziegler: Die Entwicklung der Organisation ist kein Zeitgeistphänomen, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Aufgrund der Digitalisierung nehmen Dynamik und Komplexität zu. Unternehmerinnen und Unternehmer werden immer mehr zum „Engpass“ für die vielseitigen Entscheidungen. Gleichzeitig sehen wir bei den Belegschaften zwei Typen: einerseits gut ausgebildete Mitarbeiter:innen mit einem Sinnanspruch an ihre Arbeit und andererseits weniger gebildete Menschen, die einen klaren Rahmen von Führung suchen. Familienunternehmen müssen sich beiden Phänomenen stellen, um eine nächste Generation passender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, weiterzuentwickeln und an sich zu binden.

Isabelle Ziegler hat BWL sowie Psychologie studiert und bringt persönliche Erfahrungen aus Familienunternehmen mit. Die Diplomkauffrau coacht und begleitet seit über 20 Jahren Unternehmer und Familienunternehmen (www.coaching-fuer-familienunternehmen.com).


Nachfolge: „Allein rumzuwursteln kann teuer werden“

Text: NRW Bank; Fotos: NRW Bank

Melanie Baum ist mit dem Familienbetrieb ihres Vaters aufgewachsen und half hier bereits als 15-jährige Schülerin aus. 2014 übernahm sie schließlich die Geschäftsführung bei Baum Zerspanungstechnik in Marl – und nur zwei Jahre später das gesamte Unternehmen. Unterstützung erhielt sie dabei von der NRW.BANK.

Vor fast 40 Jahren gründete Hans-Peter Baum sein Metallverarbeitungsunternehmen im Ruhrgebiet als Einmannbetrieb. Mittlerweile fertigen bei Baum Zerspanungstechnik knapp 60 Mitarbeitende anspruchsvolle Dreh- und Frästeile. „Mein Vater wollte mit Top-Leuten Top-Produkte für zufriedene Kunden herstellen. Das war immer unser großer gemeinsamer Nenner“, erklärt Melanie Baum das Leitbild ihres Vaters.

Einstieg mitten in der Krise

Dass sie das Familienunternehmen einmal übernehmen würde, war nicht immer klar. Zwar hatte sie schon früh in verschiedenen Bereichen bei Baum Zerspanungstechnik ausgeholfen, doch ein Maschinenbau-Studium, um den Betrieb zu übernehmen, hatte der Vater ihr ausgeredet. „Mein Vater ließ mir die freie Wahl, was eine mögliche Nachfolge betraf. Er riet mir, meinen eigenen Weg zu gehen“, sagt Melanie Baum. Als Hans-Peter Baum seine Tochter nach der Finanzkrise 2008 bat, ihn bei der Strategiearbeit zu unterstützen, stieg die studierte Betriebs- und Kommunikationswissenschaftlerin jedoch schnell Vollzeit in die Firma ein. Mit Erfolg: Gemeinsam führten sie den Betrieb aus der Krise.

Gründliche Nachfolgeplanung braucht Zeit

Bereits ein Jahr später begann Melanie Baum mit einem durchdachten Nachfolgeplan ihren Weg in die Geschäftsführung. In einem klassischen Traineeprogramm lernte sie sämtliche Unternehmensbereiche kennen. „Nach zwei Jahren war klar, dass ich die Nachfolge antreten würde“, erzählt Melanie Baum. Für die endgültige Übergabe ließen die Baums sich Zeit, um die Nachfolge gründlich zu regeln. Schließlich kaufte Melanie Baum ihrem Vater den Betrieb im Jahr 2016 vollständig ab; dafür gründete sie ein neues Unternehmen. Unterstützung erhielt sie von der NRW.BANK. Die Förderbank für Nordrhein-Westfalen steht mittelständischen Unternehmen wie der Firma Baum Zerspanungstechnik in vielen Belangen langfristig zur Seite und bietet für jeden Finanzierungsanlass das passende Produkt: von zinsgünstigen Förderdarlehen über Eigenkapitalfinanzierungen bis hin zu Seminar- und Beratungsangeboten. „Bei der Nachfolgeplanung gibt es viele Aspekte zu beachten – von rechtlichen über wirtschaftliche bis hin zu familiären. Die Begleitung und Beratung der NRW.BANK waren dabei sehr wertvoll“, sagt Melanie Baum.

Zukunftsthemen stets im Blick

Schon während des Nachfolgeprozesses richtete sie ihren Blick stets in die Zukunft: Sie entwickelte nicht nur Vertrieb, Personalmanagement und Marketing des Familienbetriebs weiter, sondern machte ihn auch fit für die Digitalisierung. Auch dabei stand ihr die Förderbank beratend zur Seite: „Die NRW.BANK hat mich neben dem Nachfolgeprozess auch in zentralen Investitionsfragen unterstützt“, sagt Melanie Baum. „Allein rumzuwursteln kann am Ende teuer werden. Externe Expertise ist unverzichtbar.“ Ihre Erfahrungen gibt sie heute selbst weiter als Referentin bei NRW.BANK-Workshops und Veranstaltungen von Nachfolgeorganisationen.


DealCircle – Der Deal für hohe Transaktionswahrscheinlichkeit

Text: Emrich Welsing; Fotos: Dealcircle

Für M&A-Berater ist das Start-up DealCircle der optimale Partner, passende Kaufinteressenten für eine Unternehmenstransaktion zu finden.

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Die Weisheit ist weitverbreitet: „Aus Fehlern kann und sollte man lernen!“ Besonders wenn es nicht die eigenen Fehler sind. Das dachte sich auch Kai Hesselmann (39), als er zu Beginn der 2000er-Jahre sein duales BWL-Studium bei Siemens absolvierte. Die älteren unter unseren Leserinnen und Lesern werden sich erinnern, dass der deutsche Technologiekonzern aus München noch im letzten Jahrhundert zu den innovativen Vorreitern in der Mobilfunkbranche gehörte. Handys von Siemens waren für uns Millenials etwas Besonderes – weil neu und außergewöhnlich. Aber eine Reihe unverzeihlicher Management-Fehler ließen zunächst die Absatzzahlen dahinschmelzen, bis Siemens seine Mobilfunksparte 2005 an BenQ in Taiwan verkaufte – eigentlich muss man sagen: verschenkte. Nur anderthalb Jahre später bedeutete die nicht mehr abwendbare Insolvenz dem einst so strahlenden Handyanbieter das Ende.

Mögen die Gründe für den Misserfolg vielfältig gewesen sein, Kai Hesselmann erlebte bereits frisch nach dem Studium, wie ein Unternehmensverkauf alles andere als erfolgreich laufen kann. Das brachte ihn in seinem nächsten Job bei PricewaterhouseCoopers (PwC) dazu, sich mit den Besonderheiten des Ver- und Ankaufs von Unternehmen eingehend zu beschäftigen: „In den folgenden sechs Jahren habe ich europaweit sowohl zahlreiche Unternehmenskäufer als auch -verkäufer beraten, große Konzerne ebenso wie Private-Equity-Investoren. Dabei habe ich das weite Feld der Transaktionen und Unternehmensbeteiligungen intensiv und professionell kennengelernt.“

Es folgte der Wechsel auf die andere Seite des Schreibtisches, und zwar zu einem Hamburger Private Equity: „Hier war ich als Partner für neue Investoren im Bereich Maschinenbau und Industrietechnik zuständig. Mein jetziger Geschäftspartner und DealCircle-Mitgründer Graig Gröbli (35) hatte dort die Expertise für die Software- und Dienstleistungsbranchen.“ Der gebürtige Franzose war über ein internationales BWL-Studium an der ESCP Europe mit den Stationen London, Paris und Berlin nach Hamburg gekommen und hatte die Karriere vom Praktikanten zum Partner in nur acht Jahren gemeistert. Graig Gröbli: „Wir haben in der Zeit sehr eng zusammengearbeitet und in unseren jeweiligen Kompetenzfeldern erkannt, dass es im Markt der Unternehmenstransaktionen eine Lücke zu schließen gibt.“    

Regelmäßige und intensive Meetings oder Telefonate mit zahlreichen M&A-Beratern (Mergers & Acquisitions) waren wesentlicher Teil des Daily Jobs, und dabei verfestigte sich zunehmend das Bild eines gravierenden Problems: „Viele Berater schilderten uns, wie gering ihre Abschlussquoten insbesondere im Marktsegment der kleineren Unternehmensverkäufe bis zu 15 Millionen Euro Kaufpreis sind. Es sei extrem schwierig, hier mit interessierten Käufern in Kontakt zu kommen und das Feld potenzieller Ansprechpartner oder Unternehmensnachfolger sei sehr intransparent.“ Neben einigen faktischen Gründen aus der gewachsenen Unternehmensstruktur, ihrer mangelnden Innovationskraft, einer zu starken Abhängigkeit vom bisherigen Inhaber oder unrealistischen Preisvorstellungen, stand aber für die No-Deal-Quote auch immer wieder eine Klage der M&A-Berater auf dem Notizzettel: „Unser Kontakte-Netzwerk ist in diesem Segment einfach nicht groß und stabil genug!“      

Für Graig Gröbli und Kai Hesselmann war das der Impuls zur Gründung ihres Start-ups DealCircle. „Das grundlegende Problem ist doch: Solange es keine Interessenten im Prozess gibt, wird es auch keinen Unternehmensverkauf geben. Da setzen wir an, indem wir den M&A-Beratern eine Datenbanklösung bieten, bei der sie für ihr individuelles Projekt eine Liste potenziell kaufinteressierter Kandidaten generieren lassen können.“ Die Käufer-Datenbank von DealCircle umfasst mittlerweile mehr als eine Viertelmillion Profile. Die Branche, die Region, die Transaktionsgröße und zahlreiche weitere Filterkriterien werden bei einem neuen Projekt auf ihre Relevanz überprüft. Der M&A-Berater erhält nach Ende des Datenabgleichs eine Vorschlagsliste mit Kandidaten, die er mit seinem Kunden, dem verkaufswilligen Unternehmer, durchschauen kann.

„Diese Liste erstellen wir für Verkäufer, M&A-Berater und potenzielle Käufer erst einmal komplett kostenlos“, betont Kai Hesselmann. „Erst wenn der Deal auch wirklich über uns abgewickelt wird, erhalten wir vom Käufer eine Erfolgsprovision. Mehr als 400 M&A-Häuser in der DACH-Region nutzen den kostenfreien Service von DealCircle mittlerweile regelmäßig und mit wachsendem Erfolg. Jede Anfrage und jeder Deal trägt genauso zur Aktualisierung der Datenrelevanz bei wie die kontinuierlichen Abgleiche mit jeder nur greifbaren, verlässlichen Wirtschafts-Informationsquelle.

DealCircle versteht sich als Kontakt-Broker zwischen Verkäufern und Käufern, kann und will dabei jedoch nicht in die Rolle des M&A-Beraters schlüpfen. „Ich habe den M&A-Job lange genug gemacht, um die Relevanz dieser intensiven Betreuungsarbeit für Unternehmensverkäufer sehr hoch schätzen zu können“, betont Kai Hesselmann. „Ich kann Verkaufsinteressierten daher nur raten, mit einem M&A-Berater ein vertrauensvolles Gespräch zu führen, gern auch über DealCircle, denn wir steigern die Abschlusswahrscheinlichkeit für Transaktionen deutlich.“ 


Unternehmensverkauf – Wie finde ich einen Käufer?

Text: Miriam Leschke; Fotos: IfW Niggemann

Die Identifikation und Ansprache von Kaufinteressenten sind wesentliche Erfolgsfaktoren bei einem Unternehmensverkauf. Hier werden die Weichen gestellt, um die von dem Verkäufer angestrebten Verkaufsziele zu erreichen.

Ein Verkäufer empfindet schon bei dem ersten Gedanken an einen Verkauf seinen Angestellten, Kunden und Lieferanten gegenüber eine besondere Verpflichtung. Ein Stück Familiengeschichte soll im Sinne eines Staffelstabs übergeben werden. Ein geeigneter Käufer muss her.

Die Ziele, die ein Verkäufer mit einem Unternehmensverkauf verbindet, können dabei auf vier wesentliche Punkte reduziert werden:

Diskretion: Käufer und Verkäufer sollten dasselbe Verständnis von Vertraulichkeit und Diskretion aufweisen.Transaktionssicherheit: Der Verkaufsprozess sollte „sicher“ hinsichtlich Zeitdauer, Kosten und dem erfolgreichen Abschluss sein.Kaufpreis: Es sollte ein marktgerechter Kaufpreis durch den Käufer gezahlt werden – bestenfalls der Kaufpreis, der zu Beginn der Gespräche auch geboten wurde.Vertragsgestaltung: angemessene Garantien und Freistellungen im Kaufvertrag, die auch nach einem Verkauf zu keinem wirtschaftlichen Nachteil des Verkäufers führen.

Für die Umsetzung der Ziele ist erfahrungsgemäß ein strukturierter Verkaufsprozess erforderlich. Um sich der Antwort zu nähern, welcher Kaufinteressent die Ziele weitestgehend teilt und damit infrage kommt, muss von dem Unternehmen selbst, wie es finanziell „steht und liegt“, ausgegangen werden. Ziele und Status quo des Unternehmens determinieren damit, welche Kaufinteressenten überhaupt angesprochen werden können und in welche taktische Verhandlungssituation sich ein Verkäufer damit manövrieren könnte.

Der ideale Käufer

Jeder Verkäufer wünscht sich den einen idealen Käufer, der das Unternehmen verantwortungsvoll in die Zukunft führt und sich etwa dadurch auszeichnet, dass er während des Unternehmensverkaufs ein angenehmer Gesprächspartner ist, den gewünschten Kaufpreis zahlt und den Kaufvertrag verkäuferfreundlich gestaltet. Im besten Falle bietet er an, die Finanzierung des Unternehmenskaufs ebenfalls durchzuführen und das Unternehmen nach Kaufabschluss strategisch weiterzuentwickeln. Ein idealer Käufer, der all diese Eigenschaften vereint, existiert jedoch selten.

Einen Käufer für das Unternehmen identifizieren

Häufig agieren verkaufsbereite Unternehmer opportunistisch, wenn sie auf ein mögliches Kaufinteresse, z. B. durch einen Geschäftspartner, angesprochen werden. In diesen „opportunistischen“ Fällen wird ausschließlich mit einem einzigen Interessenten gesprochen. Wenn sich dieser eine Interessent als nicht idealer Käufer entpuppt, wurde viel Zeit und Energie auf den einen Kandidaten gesetzt. Selbst wenn der Verkauf an diesen einen Käufer erfolgt, besteht keine Sicherheit, ob es auch der beste Käufer für das Unternehmen und den Unternehmer war.

Hier kommen erfahrene M&A-Berater ins Spiel. Durch eine detaillierte Recherche kann ein M&A-Berater geeignete Käufer identifizieren und mit ihnen in Kontakt treten, ohne dass der Verkäufer in Erscheinung tritt und erkennbar wird, um welches Unternehmen es sich handelt. Ein systematisches und strukturiertes Vorgehen bei der Recherche ist hierbei ein kritischer Erfolgsfaktor. Zudem ist es aussichtsreich, wenn mit zwei bis drei Interessenten gleichzeitig gesprochen wird.

Zur Durchführung einer derartigen Recherche stehen M&A-Beratern verschiedene Datenbanken zur Verfügung. Darüber hinaus nutzen Berater auch ihre nationalen und internationalen Netzwerke, um mögliche Kaufinteressenten zu identifizieren. Nach Abschluss einer Recherche entsteht eine sogenannte „Longlist“ von Adressen, die eine generelle Eignung als Unternehmenskäufer aufweisen. Diese Liste wird mit dem Verkäufer besprochen. In der Diskussion entsteht durch die Auswahl von Interessenten eine sogenannte „Shortlist“ von Adressen, die zur Kontaktaufnahme vom Verkäufer respektive Mandanten freigegeben wurden. Genauso werden Adressen ausgeschlossen, die auf eine „Sperrliste“ gesetzt werden.

Grundsätzlich stehen die folgenden verschiedenen Käufergruppen als Interessenten für einen Unternehmensverkauf zur Verfügung:

Interne oder externe Führungskräfte
Eine Option mit verschiedenen Vorteilen. Nachteilig ist hier die oftmals geringe Ausstattung mit Eigenmitteln. Auf dieser Basis können die Kaufpreiserwartungen der Verkäufer häufig nicht erfüllt werden. Dazu existieren aber Lösungen.Finanzinvestoren und Family Offices
Investoren mit unterschiedlichem Investitionszeitraum, die nahezu ausschließlich ein Interesse am Erhalt und moderaten Wachstum des Unternehmens haben.Strategische Käufer
Strategische Käufer (z. B. Kunden, Wettbewerber) streben eine langfristige und enge Anbindung des gekauften Unternehmens oder sogar eine Integration an. Aufgrund von Synergieüberlegungen kann ein Stratege meist höhere Kaufpreise zahlen („strategisches Premium“).

Wird die Recherche ergänzt um Attribute, wie z. B. Internationalität und branchenfremde Unternehmen, kann eine „Shortlist“ sogar eine Vielzahl von potenziell geeigneten Käufern enthalten.

Fazit

Jedes Unternehmen ist einzigartig und kein Unternehmensverkauf gleicht dem anderen. Den idealen Käufer für sein Unternehmen zu finden ist für den Verkäufer von größter Bedeutung. Erfahrungen zeigen, dass dieser Käufer aktiv und strukturiert recherchiert werden muss. Zudem werden die besten Ergebnisse erzielt, wenn mit mehreren Kaufinteressenten parallel verhandelt wird. Diskretion und Transaktionssicherheit sind aber wichtige Faktoren bei einem Unternehmensverkauf. Ein erfahrener M&A-Berater ist hierfür der geeignete Partner, um die Ziele des Unternehmensverkäufers erfolgreich umzusetzen.


Unternehmensbewertung im Mittelstand

Text: Miriam Leschke; Foto: istocks

Fundierte Wertermittlung mit dem angepassten Multiplikator-Verfahren.

Jedes Unternehmen hat seinen Wert – doch wie sieht der „richtige Wert“ aus? Vor einem Unternehmensverkauf ist es für jeden Verkäufer unabdingbar, eine realistische Werteinschätzung seines Lebenswerks zu erhalten. Etablierte Bewertungsansätze sind hier das Discounted-Cashflow- sowie das Multiplikator-Verfahren.

Das Discounted-Cashflow-Verfahren erfordert eine detaillierte Planrechnung über mehrere Jahre. Auf dieser Basis erstellt ein Experte dann mithilfe komplexer Berechnungen eine Unternehmensbewertung. Dieses Verfahren findet aufgrund des hohen Aufwands eher selten Anwendung bei mittelständischen Transaktionen.

Das Multiplikator-Verfahren setzt auf eine eher generische Wertherleitung auf Basis von Ertragskennzahlen und Branchenzugehörigkeit. Im Mittelstand verbreitet sind die regelmäßig von der Deutschen Unternehmerbörse (DUB) und dem Finance Magazin veröffentlichten Multiplikatoren pro Branche.

Eine Unternehmensbewertung auf Grundlage einer einzigen Kennzahl (EBIT(DA)) und der Branchenzugehörigkeit kann jedoch bei näherem Hinsehen nicht zu belastbaren Ergebnissen führen. Dies lässt sich gut anhand eines Beispiels erläutern:  Zwei Unternehmen der Branche „Automotive“ erwirtschaften jeweils ein EBIT von 1,0 Millionen Euro und befinden sich somit bei Anwendung des (einfachen) Multiplikator-Verfahrens in der gleichen Bewertungsrange. Hierbei ist allerdings nicht berücksichtigt, dass eines als Zulieferer im Bereich der Verbrennungsmotoren (auslaufendes Geschäftsmodell) tätig ist und ein Großkunde 80 Prozent vom Umsatz ausmacht. Das andere ist Innovationsführer im Bereich Elektromobilität und die aktuell hohen Entwicklungskosten schmälern das Ergebnis temporär. Hier kommt das einfache Multiplikator-Verfahren sichtbar an seine Grenzen.

Trotzdem wird bei den Verhandlungen zwischen Käufern und Verkäufern aufgrund der einfachen Handhabung immer wieder auf die einfache Formel „EBIT(DA) x Branchenmultiplikator = Unternehmenswert“ abgestellt.

Die in der Praxis erzielten Verkaufspreise zeigen allerdings deutlich, dass sich der Wert eines Unternehmens nicht allein auf Basis der Kennzahlen Ertrag und Branche errechnen lässt, sondern zahlreiche weitere Parameter in die Bewertung mit einfließen.

Angepasstes Multiplikator-Verfahren

Denn das Multiplikator-Verfahren bietet grundsätzlich einen sinnvollen Ansatz zur Bewertung, sollte jedoch um zusätzliche Dimensionen ergänzt werden, um so dem einzelnen Unternehmen und seinen Besonderheiten und Stärken gerecht werden zu können. Das angepasste Multiplikator-Verfahren berücksichtigt daher neben den Rahmendaten ebenfalls die „Relative Stärke“ des Unternehmens und die „Marktattraktivität“ des spezifischen Marktumfelds:

RahmendatenBranche und DetailbrancheUnternehmensalter und Details zum UnternehmerFinanzkennzahlen (Umsatz, EBIT(DA), Nettoverschuldung, Sondereffekte)Flexibilität der Transaktionsstruktur (Verbleib des Verkäufers im Unternehmen, Zahlungsstruktur Kaufpreis)Relative StärkeQualität der Umsätze (Wachstum, Alleinstellungsmerkmale, Preismacht)Kundenstruktur (Abhängigkeit Kunden und/oder Branchen, wiederkehrende Umsätze)Abhängigkeiten (Unternehmer, Schlüsselpersonen, Zulieferer)Mitarbeiter (Anzahl, Fluktuation, Wettbewerb um Fachkräfte)Strategie (Ausprägung, Digitalisierung)MarktattraktivitätAttraktivität des Marktes (Marktwachstum, Potenziale)Attraktivität der Branche (Branchenstrukturanalyse nach Porter, Konsolidierungsaktivität)

Die M&A-Beratung Westfalenfinanz GmbH hat auf Basis ihrer Erfahrungen aus zahlreichen Transaktionen in den letzten zehn Jahren ein Online-Tool entwickelt, das diese Details mit in die Unternehmensbewertung einfließen lässt: das angepasste Multiplikator-Verfahren.

Die Nutzung dieser Bewertung ist kostenlos, unkompliziert und anonym – es erfolgt keine Abfrage von persönlichen Daten und der Nutzer wird im Nachgang nicht kontaktiert. Sollte weiterer Beratungsbedarf bestehen, stehen die Ansprechpartner der Westfalenfinanz natürlich jederzeit für ein unverbindliches Gespräch zur Verfügung.

Die Unternehmensbewertung gemäß dem angepassten Multiplikator-Verfahren finden Sie unter: www.westfalenfinanz.com.

WESTFALENFINANZ GmbH

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Telefon: 0231 1397026-0
Telefax: 0231 1397026-99
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Die Nachfolge mit der Lebensplanung verzahnen

Wer sein Unternehmen abgeben möchte, sollte keinesfalls die Auswirkungen auf die privaten Rahmenbedingungen außer Acht lassen. Ein Interview mit Olaf Krings und Daniel Oyen von der von Plettenberg, Conradt & Cie. Family Office AG.

Text: Daniel Boss; Foto: Jochen Rolfes

Die Unternehmensnachfolge gilt in Familien, deren Mitglieder auch wirtschaftlich miteinander verbunden sind, als eines der heikelsten Themen. Worin liegt die große Herausforderung für alle Beteiligten?

Olaf Krings: Die Unternehmensnachfolge ist in der Tat ein Thema, das meist über einige Jahre sehr viel Raum einnimmt. Allein die Klärung der allerersten Fragen benötigt oft sehr viel Zeit: Soll das Unternehmen in der Familie bleiben, soll es von Teilen des bestehenden Managements übernommen werden oder ist ein Verkauf an externe Interessenten die vermutlich beste Lösung?

Lautet die erste Frage nicht vielmehr: Wie lässt sich der höchste Gewinn durch einen Verkauf erzielen – und das am besten steueroptimiert?

Olaf Krings: Nicht unbedingt. Es gibt ja auch Fälle von Schenkungen an die Kinder oder andere jüngere Verwandte. In der Regel steht allerdings in der Tat die Erzielung eines annehmbaren Erlöses recht weit oben auf der Agenda. Doch genau hier liegt der Knackpunkt. Denn was ist überhaupt ein annehmbarer Erlös?

Sie meinen jenseits der Ergebnisse einschlägiger Unternehmenswert-Berechnungen?

Daniel Oyen: In unseren Beratungen weisen wir immer auch auf die möglichen Verschiebungen der privaten Rahmenbedingungen hin. Es geht um den Vergleich des Status quo mit der Zeit nach dem Verkauf. Womit hat der Veräußerer bislang seinen Lebensunterhalt bestritten – hauptsächlich durch Ausschüttungen oder durch Geschäftsführer-Vergütungen? Welche Summe benötigt er oder sie, um den bekannten Lebensstandard weiterhin beibehalten zu können oder sich auch neue Wünsche zu erfüllen? Die private Finanzplanung für die Zeit des Ruhestands wird erstaunlicherweise auch von den erfahrensten Kaufleuten immer noch stark unterschätzt.

Ein Klassiker in diesem Zusammenhang ist, dass ehemalige geschäftsführende Gesellschafter noch eine Weile als Berater mit entsprechendem Vertrag fungieren.

Daniel Oyen: Unserer Erfahrung nach haben solche Beraterverträge aber oft nicht bis zum vereinbarten Ende Bestand. Das ist auch verständlich: Die Neuen am Ruder möchten – und müssen vielleicht auch – vieles anders machen. Das führt nicht selten zu Generationenkonflikten, die bekanntlich besonders heftig ausfallen können, wenn sie zwischen Eltern und Kindern ausbrechen. Sind namhafte und große Unternehmen betroffen, landen diese Streitigkeiten dann in den Medien.

Was raten Sie denn, um einen geräuscharmen, also weitgehend reibungslosen Übergang zu schaffen?

Olaf Krings: Wichtig ist eine Transparenz, die unter allen Beteiligten Vertrauen schafft. Es muss eine gemeinsame Basis geschaffen werden, auch bei Bewertungsthematiken. Wenn ich mehrere Kinder habe, aber nur eines von ihnen soll das Unternehmen übernehmen und führen, stellt sich automatisch die Frage nach dem Ausgleich der anderen Erben. Sollen diese überhaupt am Unternehmen beteiligt werden? Wie schaffe ich eine für alle Beteiligten als gerecht empfundene Aufteilung? Hier warten manchmal die größten Herausforderungen, auch für den weiteren langfristigen Familienfrieden.

Wäre es nicht überhaupt am einfachsten, ans Management oder an Externe zu veräußern und den Erlös dann „cash“ innerhalb der Familie aufzuteilen?

Daniel Oyen: Einen solchen rechtlichen und finanziellen „Schlussstrich“ ziehen Familienunternehmen selten, das kommt eher bei noch recht jungen Unternehmen, bei Start-ups, vor. Bei älteren Unternehmen spielt die Bewahrung der Tradition schon eine Rolle.

Kommen wir noch mal auf die steuerliche Effizienz: Welche Fallen lauern hier bei einem Verkauf?

Olaf Krings: Um Steuern zu sparen, werden die Erlöse beispielsweise in einer Kapitalgesellschaft belassen. Das kann unter bestimmten Umständen auch Sinn machen, insbesondere wenn die Gelder wieder investiert werden können. Aber wie ist die Situation, wenn nun private Themen im Vordergrund stehen? Denken wir beispielsweise an die schon immer erstrebte Ferienimmobilie oder das ersehnte Kunstobjekt. Wenn ich dann fortlaufend Ausschüttungen tätigen muss – und sei es nur für den laufenden Liquiditätsbedarf – schlägt das Pendel gegebenenfalls wieder in die andere Richtung. Damit wären wir wieder mitten in der privaten Finanzplanung. Wichtig ist daher, dass die Unternehmensnachfolge mit der weiteren Lebensplanung eng verzahnt wird.

Heißt: So früh wie möglich das Thema Unternehmensnachfolge angehen …

Daniel Oyen: Ja, denn das ist auch aktives Risikomanagement. Frühzeitiges Agieren ist schon allein deswegen so bedeutsam, weil man sich zunächst einen Überblick über die vorhandenen Strukturen verschaffen muss. Deswegen beginnen wir unsere Mandate grundsätzlich mit einer umfangreichen und sorgfältigen Analyse. Übrigens gehört zu einer verantwortungsvollen Nachfolgeregelung auch die Berücksichtigung des Erbfalls. Besonders unschön sind bis dato nicht bedachte Liquiditätsengpässe, wie sie typischerweise durch zu hohes Immobilienvermögen im Nachlass auftreten können.

Olaf Krings: Die frühzeitige Planung der Unternehmensnachfolge ist auch deshalb so wichtig, da diese nicht isoliert im Unternehmenskontext zu optimieren ist, sondern auch im Zusammenhang der gesamten familiären und finanziellen Voraussetzungen. Die Analyse der Wechselwirkungen zwischen den Ebenen und die Optimierung der „privaten“ Seite sind dabei unser Fokus, damit nach der geglückten Übergabe des Unternehmens keine neuen Baustellen auftauchen.


Kredit auf Knopfdruck

Eine Nachfolge über Internetplattformen zu finanzieren kann sinnvoll sein. Aber aufgepasst: Plattform ist nicht gleich Plattform.

Text: Claas Möller Foto: stock.adobe.com

Beim Thema Unternehmensfinanzierung entfalten das Internet und insbesondere Internetplattformen noch keine disruptive Wirkung.

„Wir gehen davon aus, dass bis 2025 zehn Prozent des gesamten Kreditvolumens durch digitale Kanäle abgewickelt werden wird. Aktuell sind es 1 bis 1,5 Prozent“

sagte kürzlich Dr. Daniel Bartsch, Gründungspartner und Vorstand der Creditshelf Aktiengesellschaft.

Der deutsche Mittelstand steht noch immer in Treue fest zu seiner Bank: Über 85 Prozent der Mittelständler haben nur ein bis zwei gewerbliche Bankverbindungen, ermittelte die Kreditplattform Compeon – obwohl einem Fünftel aller Unternehmen schon einmal eine Finanzierung versagt wurde und seit der Finanzkrise 2008 die Geldinstitute bei Krediten wegen sich weiter verschärfender Eigenkapitalbestimmungen immer mehr knausern.

„Die Kredithürde ist für kleinere Firmen spürbarer als für größere. Das Kernprodukt Mittelstandskredit ist nicht unbedingt profitabel für eine Bank. Ab einer gewissen Größe ist es für die Bank auch egal, ob sie eine Kreditsumme von 500.000 oder 1,5 Millionen Euro prüft – der Prozess ist der gleiche und dann durchlaufe ich ihn natürlich lieber für ein größeres Ticket.“

sagt Stephan Schneider, Partner Manager der Creditshelf AG

„Online-Marktplätze für Kredite bieten im Vergleich zu  traditionellen Banken schnellere, transparentere und rein digitale Kreditantragsverfahren sowie kleinere und kurzfristigere Kredite“, heißt es in der Analyse „Der deutsche FinTech-Markt im Jahr 2020“ für das ifo Institut: „Durch die Nutzung von Algorithmen entwickeln und nutzen diese Marktplätze häufig eigene Kreditscoring-Modelle, wodurch Abwicklungskosten gesenkt werden und folglich der Zugang zu einer Finanzierung auch für Privatpersonen und KMUs mittlerer Bonität ermöglicht wird.“

Zwei verschiedene Typen von Internet-Kreditplattformen kommen für die Finanzierung von Nachfolge-Lösungen kleinerer Mittelständler infrage. Alle Plattformen versprechen kurzfristig (oft innerhalb von 48 Stunden) eine Indikation, ob der Kreditwunsch klappen könnte. Anfragen und Beratung sind kostenfrei. Erst beim Abschluss entstehen Kosten. Sie teilen sich in zwei Gruppen auf:

P2P-Plattformen

Eine kleine Gruppe von Kreditplattformen verfügt über einen eigenständigen Kreditprozess, prüft also selbst das Risiko, vergibt eigene Kredite und übernimmt auch deren komplette Abwicklung. Sie werden auch P2P-Plattformen genannt: Peer to Peer, da sie ohne Zwischeninstanz agieren. Registrierung, Kreditanfrage und Upload erforderlicher Unterlagen erfolgen online. Grundsätzlich findet ein persönliches Gespräch mit dem Antragsteller statt. Für Creditshelf-Partner Manager Stephan Schneider zeigt sich die Effizienz dieses Kreditprozesses auch daran, dass 80 Prozent der Kunden Wiederkehrer sind. Laut Constantin Fabricius, Geschäftsführer des Verbands deutscher Kreditplattformen (VdK), erweist sich das Risikomanagement beim Blick auf die Ausfallraten dieser alternativen Finanzierungen selbst jetzt in der Corona-Krise branchenweit als robust. Auch Übernahmefinanzierungen finden über P2P-Plattformen statt, aber in einem überschaubaren Rahmen. Beide Anbieter in unserer Übersicht finanzieren ihre Kredite aus hauseigenen Fonds für institutionelle Anleger, an denen unter anderem auch der Europäische Investitionsfonds beteiligt ist. Die auf den Plattformen vergebenen Kredite sind in der Regel unbesicherte, aber erstrangige Annuitätendarlehen mit einem Zins von 2,5 bis 10 Prozent – je nach Bonität und Laufzeit. Damit kommen Kunden zum Zuge, die für Banken aufgrund der Bonität, des Aufwands oder der Eigenkapitalanforderungen nicht interessant sind. Creditshelf benötigt beim Unternehmenskauf grundsätzlich, October von Fall zu Fall eine selbstschuldnerische Bürgschaft des Käufers/Gesellschafters. Makler-Plattformen (siehe hierunter) schließen fehlende Bausteine in einer komplexen Finanzierung ihrerseits gern mit Krediten der P2P-Plattformen.

Finanzierungsportale

Finanzierungsportale, die größere Gruppe digitaler Plattformen, sind im Grunde Makler- oder Vermittlungsplattformen. Sie arbeiten mit einer Vielzahl von Geldinstituten zusammen, aber auch mit alternativen Kapitalgebern: also Banken und Sparkassen, Großbanken, Förderbanken, Factoring- und Leasinggesellschaften und z.B. Debt Funds; gerade diese übernehmen nicht selten auch große Akquisitionsfinanzierungen. Kreditanfragen werden ähnlich wie bei den P2P-Portalen mitsamt der erforderlichen Unterlagen entgegengenommen und es erfolgt eine grobe Kreditvorprüfung, die den eigentlichen Finanzierern Arbeit abnimmt. Bei komplexeren Anfragen können die Portale Finanzierungsanfragen auch strukturieren, also in verschiedene Finanzierungskomponenten splitten. Der Kreditwunsch wird an eine Auswahl von Partnern weitergeleitet – an welche, hängt von deren Vorgaben ans Portal ab. Auch Interessenten können diese Auswahl beeinflussen, indem sie etwa ihre Hausbank von vornherein ausschließen, bevor sie eine Auswahl an Offerten erhalten.

„Einen vollständigen Marktüberblick haben diese Vermittlungsportale nicht, da sie ja nicht mit allen Kreditinstituten in Deutschland eine Marktbeziehung haben“

gibt VdK-Geschäftsführer Constantin Fabricius zu bedenken.

gKreditprüfung, ‑gewährung und ‑abwicklung finden im Verhältnis zwischen dem Interessenten und dem Finanzierer statt, der den Kreditwunsch schließlich bedient. Die Art der Gestaltungsmöglichkeiten ist durch die Vielzahl der dahinterstehenden Anbieter groß.

Vermittlungsplattformen/Finanzierungsportale

Compeon (compeon.de)

Aktiv seit 2014Bedient Kreditbedarf zwischen 1.000 und 25 Millionen EuroRund 300 Finanzierungspartner (neben Kreditinstituten auch alternative Finanzierer, z.B. Debt Funds)Besonderheiten: nach eigenen Angaben größte deutsche Plattform für gewerbliche Finanzierungen (Gesamtkreditvolumen: 1,4 Milliarden Euro).

Finanzierung.com (finanzierung.com)

Aktiv seit 2014Mindestkreditsumme 1 Million Euro bei komplexeren ThemenÜber 400 Finanzierungspartner (Banken und alternative Finanzierer wie FinTechs und Debt Funds)Besonderheiten: in Deutschland und Österreich tätig; eigene Finanzierungsvehikel in Planung.

FinCompare (fincompare.de)

Aktiv seit 2017Kreditsummen ab 10.000 EuroÜber 250 Finanzierungspartner (darunter Banken und alternative Anbieter)Besonderheiten: Interessenten erhalten bis zu fünf Angebote; für Nachfolge kommen vor allem Firmenkredite in Betracht.

FinMatch (finmatch.de)

Aktiv seit 2019Vorhaben ab 500.000 Euro VolumenEtwa 300 Partner (zu 80 Prozent Banken, außerdem Förderbanken und alternative Kapitalgeber)Besonderheiten: M&A-Finanzierungen machen circa 10 Prozent aus (vor allem mit Mezzanine- oder Private-Debt-Fund-Finanzierungen). Vorgeschaltet ist immer ein Fördermittel-Check.

P2P-Plattformen

Creditshelf (creditshelf.com)

Aktiv seit 2015Kreditanfragen von 100.000 bis 5 Millionen Euro VolumenProdukt: unbesicherte vollamortisierende erstrangige Annuitätendarlehen (Laufzeit maximal 8 Jahre, Zins 410 Prozent )Finanzierung vor allem aus hauseigenen Fonds mit Beteiligung des Europäischen Investitionsfonds (EIF); daneben weitere Instrumente.

October (october.eu)

In Deutschland aktiv seit 2020Kreditanfragen von 30.000 bis 3 Millionen Euro VolumenProdukt: unbesicherte linear tilgende Annuitätendarlehen (2,59 Prozent Zins, 6 bis maximal 84 Monate Laufzeit)Finanzierung aus eigenem Fonds für institutionelle Anleger mit Beteiligung des EIF; in anderen europäischen Ländern aktiv und daher für grenzüberschreitende Deals geeignet.

Auswahlkriterien

Nicht berücksichtigt wurden Plattformen für Crowdfunding (eine Art Spende für ein Projekt im Gegenzug zu  einer lobenden Erwähnung beispielsweise), Crowdlending oder auch Crowdinvesting (Aufnahme eines Darlehens von den Crowdinvestoren; bisweilen werden auch diese mit Crowdfunding bezeichnet). Auf solchen Portalen werden detailliert Vorhaben präsentiert, für die Mittel mithilfe von Kampagnen eingeworben werden. Hier fehlt die nötige Diskretion für Nachfolge-Transaktionen. Das gilt auch für Schuldscheinplattformen und überdies für Plattformen, die sich an Privatkunden wenden oder deren Kreditobergrenze zu niedrig für eine Akquisitionsfinanzierung ist. Ebenfalls nicht in der Übersicht vertreten sind digitale Plattformen, die im Grunde nur der Vertriebsweg einer einzigen oder weniger Banken sind.


#20 Staffel 1: 19 Geschichten zur Unternehmensnachfolge – MEIN RÜCKBLICK

Text: Lena Schaumann

Hermann & Ich – der Podcast für alle Nachfolger*innen & Vorgeher*innen in Familienunternehmen!

Wow – 20 wundervolle Folgen Hermann & ich liegen nun hinter uns. Jede einzelne war für mich (und vielleicht ja auch für dich) super spannend und lehrreich. Ich bin sehr dankbar für all meine tollen Gäste und ihre inspirierenden, wertvollen Nachfolge- und Vorgeher-Geschichten. Ich habe die letzte Woche genutzt, um nicht nur alle Folgen und meine Top Learnings, sondern auch meinen eigenen Nachfolgeweg einmal Revue passieren zu lassen. Weshalb mein erstes Projekt gescheitert ist, was ich daraus mitnehmen konnte und was meine Top 3 Learnings der ersten Staffel sind, erfährst du in Folge #20 Staffel 1 – MEIN RÜCKBLICK.


Neue Kernkompetenzen durch künstliche Intelligenz

Trotz der zunehmenden Bedeutung von künstlicher Intelligenz (KI) konzentrieren sich viele inhabergeführte Firmen lieber auf ihre bestehenden Kompetenzen in anderen Bereichen. Dabei kann gerade die Verzahnung von KI mit menschlicher Expertise neue Wettbewerbsvorteile ermöglichen.

Text: Prof. Dr. Ulrich Lichtenthaler Foto: Bart van de Voort

Das COVID-19-Krisenmanagement ist in den meisten Unternehmen auf den Weg gebracht, auch wenn regelmäßig noch Anpassungen daran vorzunehmen sind. In vielen Firmen haben sich dadurch auch die Digitalisierung einzelner Prozesse sowie die Nutzung verschiedener digitaler Tools wie Video-Konferenzen verstärkt. Dabei handelt es sich aber nur um die Grundlagen für eine echte digitale Transformation der Unternehmen, sodass es keinen Grund gibt, sich jetzt zurückzulehnen. Vielmehr ist die nächste Runde des Wandels mit einer deutlich stärkeren KI-Nutzung in Form von intelligenten Algorithmen und komplexer Datenanalytik bereits in vollem Gang. KI umfasst verschiedene Technologiefelder, wobei in den letzten Jahren vor allem das maschinelle Lernen große öffentliche Aufmerksamkeit erhalten hat.

Kaum Alternativen zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI)

Tatsächlich sind wir bereits täglich mit vielen KI-Anwendungen in Kontakt. Als einfache Beispiele sind Textvorschläge beim Verfassen von Nachrichten auf dem Smartphone oder die Interaktion mit Chatbots im Kundenservice zu nennen. Außer einigen Pionieren fragen sich aktuell jedoch viele inhabergeführte Firmen, ob dieser nächste Schritt der Digitalisierung jetzt schon wirklich nötig ist – gerade weil die Corona-Krise noch nicht ausgestanden ist. Viele Unternehmen möchten sich lieber auf ihre über Jahrzehnte aufgebauten Kernkompetenzen verlassen, z.B. herausragende Ingenieursfähigkeiten im Maschinenbau. Auch wenn ein solcher Rückzug in die Komfortzone ein nachvollziehbarer Wunsch ist, stellt dies aktuell in aller Regel den falschen Weg dar.

In vielen Firmen hat sich durch COVID 19 die Digitalisierung der Prozesse verstärkt

Tatsächlich sind wir bereits täglich mit vielen KI-Anwendungen in Kontakt. Als einfache Beispiele sind Textvorschläge beim Verfassen von Nachrichten auf dem Smartphone oder die Interaktion mit Chatbots im Kundenservice zu nennen. Außer einigen Pionieren fragen sich aktuell jedoch viele inhabergeführte Firmen, ob dieser nächste Schritt der Digitalisierung jetzt schon wirklich nötig ist – gerade weil die Corona-Krise noch nicht ausgestanden ist. Viele Unternehmen möchten sich lieber auf ihre über Jahrzehnte aufgebauten Kernkompetenzen verlassen, z.B. herausragende Ingenieursfähigkeiten im Maschinenbau. Auch wenn ein solcher Rückzug in die Komfortzone ein nachvollziehbarer Wunsch ist, stellt dies aktuell in aller Regel den falschen Weg dar.

So hat mir der Geschäftsführer eines mittelständischen Maschinenbau-Unternehmens noch vor einigen Jahren gesagt: „Wir brauchen uns keine großen Gedanken über Digitalisierung zu machen. Mit unseren spezialisierten Produkten sind wir auf Jahre hinaus sehr gut aufgestellt.“ Mittlerweile wird dieses Unternehmen ebenso wie viele andere auch jedoch aktiv von seinen Kunden nach der künftigen Weiterentwicklung der Produkte gefragt, um die Anschlussfähigkeit an digitale Plattformen sowie die Nutzung von Datenanalytik und KI zu ermöglichen. Wenn sich Firmen also nicht jetzt fit machen für einen zunehmend intelligenzbasierten Wettbewerb, werden sie schon in naher Zukunft Probleme mit dem Absatz ihrer bisherigen Produkte haben – unabhängig davon, wie gut diese nach klassischen technischen Qualitätskriterien sein mögen.

Trotz guter Absichten begrenzter Mehrwert

Dabei können viele inhabergeführte Unternehmen durchaus selbstbewusst, wenn auch nicht übermütig die nächste Stufe des digitalen Wandels angehen. Viele dieser Firmen haben in ihrer Geschichte bereits mehrfach neue Möglichkeiten der Automatisierung und Informationstechnologie erfolgreich in ihre Geschäftsaktivitäten integriert. Daher überrascht es, dass laut einer 2019 durchgeführten repräsentativen Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie nur 5,8 Prozent der deutschen Unternehmen KI nutzen. Allerdings steigt die Anzahl der KI-Anwender momentan deutlich, wenn auch von niedrigem Niveau. In guter Absicht beginnen viele Firmen, mit einzelnen KI-Anwendungen zu experimentieren.

Dabei können viele inhabergeführte Unternehmen durchaus selbstbewusst, wenn auch nicht übermütig die nächste Stufe des digitalen Wandels angehen. Viele dieser Firmen haben in ihrer Geschichte bereits mehrfach neue Möglichkeiten der Automatisierung und Informationstechnologie erfolgreich in ihre Geschäftsaktivitäten integriert. Daher überrascht es, dass laut einer 2019 durchgeführten repräsentativen Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie nur 5,8 Prozent der deutschen Unternehmen KI nutzen. Allerdings steigt die Anzahl der KI-Anwender momentan deutlich, wenn auch von niedrigem Niveau. In guter Absicht beginnen viele Firmen, mit einzelnen KI-Anwendungen zu experimentieren. Die Überlegung, erst einmal im Kleinen anzufangen, ist an sich richtig. Allerdings schränkt der Wunsch, sich weiterhin auf die Kompetenzen zu konzentrieren, die das eigene Unternehmen in der Vergangenheit erfolgreich gemacht haben, die Möglichkeiten der erfolgreichen KI-Nutzung meist stark ein. Viele Firmen konzentrieren sich auf relativ isolierte KI-Lösungen zur Optimierung bestehender Prozesse. Indem teilweise auch menschliche Tätigkeiten ersetzt werden, können gewisse Effizienzsteigerungen erreicht werden. Ansonsten ändert sich jedoch wenig bis nichts. Dies zeigt sich auch am zusätzlichen Ergebnis der oben genannten Studie, dass nur 0,7 Prozent der Unternehmen – also zwölf Prozent der KI-Nutzer – ein stark auf KI basierendes Geschäftsmodell verfolgen. Aufgrund einer solch isolierten Nutzung von KI-Lösungen ist ihr Mehrwert zwar wichtig, oft jedoch begrenzt.

Mit integrierter Intelligenz zu neuen Kernkompetenzen

Zahlreiche KI-Anwendungen werden aktuell weiter standardisiert, sodass zeitnah viele Wettbewerber ähnliche Anwendungen nutzen werden. Um also auch bei KI einen entscheidenden Schritt voraus zu sein, sollten Unternehmen unbedingt weiterdenken – nicht als Ersatz, sondern in Ergänzung ihrer bisherigen KI-Aktivitäten. Unsere Kooperationen mit UnternehmerInnen, Start-ups und dem Mittelstand am Entrepreneurship-Institut der ISM haben gezeigt, wie man mit überschaubarem Aufwand in einem einzigen Workshop zu wichtigen ersten Impulsen kommen kann. Dabei sollte es nicht nur um die Automatisierung von Arbeitsplätzen durch alleinstehende KI-Anwendungen gehen, sondern um neue Wettbewerbsvorteile durch das Zusammenspiel von menschlicher Expertise und Kompetenz mit KI und Datenanalytik. In meinem aktuellen Buch Integrierte Intelligenz erläutere ich einen zehn Schritte umfassenden Prozess, mit dem Firmen neue Möglichkeiten an der Schnittstelle von KI mit ihren bestehenden Kompetenzen identifizieren können.

So können ausgehend von relevanten technologischen Trends attraktive Anwendungsbereiche abgeleitet werden, die ganz neue Lösungen ermöglichen – vom Einkauf und der Logistik über die Produktion und Wartung bis hin zu intelligenten Produkten und Dienstleistungen für Kunden. Ein Beispiel hierfür bildet das Metall verarbeitende mittelständische Unternehmen C.E. Schneckenflügel GmbH, das mithilfe von KI und anderen digitalen Technologien nicht nur den Produktionsprozess optimiert, sondern auch seinen Umsatz deutlich gesteigert hat. Wenn Unternehmen KI-Anwendungen eng mit der einzigartigen Expertise ihrer MitarbeiterInnen verzahnen, können diese Lösungen nur schwer von Wettbewerbern nachgeahmt werden. Nicht jedes Unternehmen muss zum Entwickler von KI-Anwendungen werden. Vielmehr sollten Firmen ihre bisherigen Kernkompetenzen nutzen und für die Zukunft zielgerichtet erweitern. Dann können sie trotz Corona-Krise positiv dem intelligenzbasierten Wettbewerb der Zukunft entgegensehen.

Zum Autor:

Prof. Dr. Ulrich Lichtenthaler ist Professor für Management und Entrepreneurship an der International School of Management (ISM) in Köln. Als Experte wird er regelmäßig als Keynote-Speaker, Executive Coach und freiberuflicher Berater zu Innovation, digitaler Transformation, künstlicher Intelligenz und neuen Geschäftsmodellen gebucht.

Kürzlich ist sein neues Buch Integrierte Intelligenz: Wettbewerbsvorteile erzielen durch die Kombination menschlicher und künstlicher Intelligenz auf Deutsch und Englisch erschienen. Weitere Informationen dazu auf https://www.ulrichlichtenthaler.com/.


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