Steffen Bolz

Author Archives

Altmann GmbH: Unternehmensnachfolge im zweiten Anlauf

Jahrelang stand für Gründer Hans-Jürgen Altmann fest, dass seine ältere Tochter seine Nachfolge bei der Altmann GmbH antreten würde. Der Plan scheiterte krachend. Heute führt die jüngere Tochter Alexandra Altmann die Firma. Wie kam das?

Geradlinig und ohne große Überraschungen – so sah die Karriere von Alexandra Altmann lange aus. Die 37-Jährige ist Wirtschaftsjuristin aus Überzeugung. 2009 macht sie ihr Diplom an der FH Bielefeld, danach heuert sie in der Rechtsabteilung des Holzwerkstoffherstellers Glunz AG an. Sie ist glücklich mit dem Job und ihren Aufgaben dort, hat nette Kollegen und versteht sich gut mit dem Chef. Ab 2011 macht sie in Absprache mit dem Arbeitgeber ihren Master of Laws mit Abschluss 2014. Alles spricht für eine erfolgreiche Laufbahn als Unternehmensjuristin. „Ich war gern Angestellte“, sagt sie. Doch es kommt anders. Nur ein Jahr später nimmt sie bei Glunz ihren Abschied, um etwas zu tun, mit dem sie selbst am wenigsten gerechnet hätte: Sie wird Geschäftsführende Gesellschafterin der Altmann GmbH Bauteile für Mess- und Regeltechnik im ostwestfälischen Herford, die ihr Vater Hans-Jürgen Altmann vor rund 50 Jahren gegründet hat.

Seit Alexandra Altmann denken kann, war klar, dass ihre drei Jahre ältere Schwester das Familienunternehmen eines Tages übernehmen würde: Ariane Altmann hat ihre ersten Jobs als Schülerin bei der Altmann GmbH, nach dem Abitur absolviert sie ab 1999 ein duales Studium, davon den betrieblichen Teil in der Firma der Eltern. Nach dem Abschluss soll sie sukzessive Verantwortung übernehmen, zunächst für Buchhaltung und Personal, dann als Prokuristin. 2012 wird sie Geschäftsführerin, gemeinsam mit dem Vater. So weit scheint alles nach Plan zu laufen.

Praktisch allerdings zeichnet sich immer mehr ab: Je mehr Verantwortung Ariane Altmann im Betrieb übernimmt, umso schlechter wird das Verhältnis zu ihrem Vater, zu verschieden sind ihre Herangehensweisen. „Mein Vater ist als Gründer ein Unternehmer alter Schule“, sagt Alexandra Altmann. Auf der einen Seite der voll von sich und seinem Produkt überzeugte Chef-Techniker und Gründer, der die Firma straff durchorganisiert hat und über dessen Schreibtisch jeder Prozess im Unternehmen geht. Auf der anderen Seite die Tochter als Vertreterin der jüngeren Generation, gut ausgebildet, mit einem anderen Verständnis von Zusammenarbeit und dem starken Wunsch, eigene Entscheidungen zu treffen. Vater und Tochter geraten oft aneinander, die Mitarbeiter sind verunsichert, es bilden sich Lager zwischen den Generationen. Zwei Jahre nachdem sie in die Geschäftsführung berufen wurde, verlässt die Tochter 2014 das Unternehmen. Auch das private Verhältnis der beiden wird auf eine harte Probe gestellt.

Während Ariane Altmann eine neue berufliche Herausforderung sucht und findet, stehen in Herford die Zeichen auf Sturm. Infolge ihres Weggangs kündigen auch langjährige Mitarbeiter in Führungspositionen. Hans-Jürgen Altmann ist wieder allein an der Spitze, mit Mitte 70 und ohne geregelte Nachfolge in Aussicht – das beunruhigt die Belegschaft und offenbar auch ihn selbst. Auf der Suche nach einer Lösung fungiert die jüngere Tochter Alexan­dra für den Vater als außenstehende Gesprächspartnerin. „Ich war in dieser Situation in der Familie so eine Art Bindeglied, ich wollte immer vermitteln“, sagt sie. Im November 2014 sprechen sie über verschiedene Optionen, vor allem Fremdgeschäftsführung und Verkauf stehen zur Debatte, aber sie drehen sich im Kreis. „Mein Vater sagte immer, wir müssten jemanden finden, der die Firma in seinem Sinne weiterführt“, sagt Alexandra Altmann. „Und ich sagte immer: ‚Den wirst Du kaum finden.‘“ Bis sie sich eines Tages zu der Frage hinreißen lässt: „Oder soll ich es etwa machen?“

Direkt auf Augenhöhe

Der Vater, gerade 75 geworden, scheint nur auf dieses Angebot gewartet zu haben. Alexandra Altmann erbittet sich Bedenkzeit. „Es war klar: Wenn ich es nicht mache, besteht die Gefahr, dass alles den Bach runter geht“, sagt sie. Am Ende sagt sie Ja zur Nachfolge, stellt aber klare Bedingungen: Sie übernimmt den Job nur mit einhundertprozentiger Rückendeckung der Familie – also auch der nicht mehr im Betrieb tätigen Schwester. Zum Glück hat sich deren gescheiterte Nachfolge nicht auf das gute Verhältnis der Geschwister untereinander ausgewirkt. „Meine Schwester hat von vornherein gesagt, dass sie mich unterstützen wird, wo es geht“, sagt Alexandra Altmann. Ihre zweite Bedingung ist, sofort als Geschäftsführerin mit vollem Verantwortungsumfang einzusteigen. Keine Anlaufphase, keine Trennung der Ressorts. Stattdessen ein Schreibtisch vis-à-vis mit dem Vater, so dass sie aus erster Hand die Aufgaben kennenlernen und übernehmen kann. Der Vater stimmt zu. Anfang 2015 kündigt sie ihren alten Job und wird im Sommer Geschäftsführerin bei der Altmann GmbH.

Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen konnte: Im September 2015 hat Hans-Jürgen Altmann einen schweren Herzinfarkt. Jetzt bewährt sich, dass Alexandra Altmann auf klaren Verhältnissen zu ihrem Einstieg bestanden hat. Zwar ist sie erst seit kurzem im Betrieb, aber zumindest organisatorisch sind die Weichen dafür gestellt, dass sie die Firma allein leiten kann. Wie auch ihre Schwester hat sie eine ganz andere Herangehensweise als der Vater. Allein schon die Tatsache, dass er sich als selbständiger Unternehmer nie um seine eigene Altersvorsorge gekümmert hat, ist für die Juristin nicht nachvollziehbar. Sie denkt vorausschauend und teamorientiert, setzt auf Eigenverantwortung aller Beteiligten und strebt nach einer breiteren Aufstellung der Firma (siehe Kasten). Für den erforderlichen Kulturwandel sucht sie sich externe Begleitung. Zwar ist ihr Vater nach wie vor Geschäftsführer, aber nach der gesundheitsbedingten Auszeit nimmt er seine Tätigkeit nicht mehr in vollem Umfang auf. Ein Jahr nach ihrem Einstieg überträgt er Alexandra alle Anteile an der Firma. „2017 kam er noch ins Büro“, sagt Alexandra Altmann. „Anfang 2018 meinte er dann, er bräuchte hier wohl keinen Schreibtisch mehr.“

Warum ist der Generationenwechsel im zweiten Anlauf gelungen? Vielleicht war es die Tatsache, dass Hans-Jürgen und ­Alexandra Altmann zuvor nie zusammengearbeitet haben und so die nötige Distanz hatten, um Fragen ergebnisoffen anzusprechen. Sicherlich war auch der Druck auf Hans-Jürgen Altmann größer und er selbst nach dem ersten, gescheiterten Versuch kompromissbereiter und offener für die Bedingungen seiner Tochter. Und auch seine Erkrankung hat den Prozess sicher beeinflusst.

Klar ist heute, dass alle Mitglieder der Familie mit der Zeit die nötige Distanz entwickelt haben, um mit den zurückliegenden Krisen und Konflikten umzugehen und an entscheidenden Stellen zwischen Familien- und Unternehmensthemen zu trennen. Hans-Jürgen Altmann hat losgelassen. „Das Unternehmen ist kaum noch ein Thema zwischen uns“, sagt Alexandra Altmann. „Er fragt mich nicht nach Einzelheiten, und ich erzähle ihm höchstens ab und zu davon.“ Ihre Schwester Ariane ist inzwischen ins Unternehmen zurückgekehrt und verantwortet heute die Bereiche Finanzen und IT. Sie ist auch diejenige, die für den Notfall mit wichtigen Vollmachten ausgestattet ist – für die Juristin Alexandra Altmann ein entscheidender Punkt: „Wenn ich morgen vor einen Baum fahre, muss der Laden weiterlaufen.“ Unter anderem hat sie zwei Mitarbeiter zu Prokuristen gemacht. Bisher hatten immer nur Familienmitglieder Prokura.

Aktuell stellt die Corona-Pandemie die junge Unternehmerin auf die Probe. Für 2020 rechnet sie mit Umsatzeinbrüchen von 20 bis 30 Prozent, erhofft sich aber über den von ihr angestoßenen Handel mit Asien auch Wachstumschancen, sobald die Krise nachlässt. Bei so großen äußeren Herausforderungen mag es gut sein, dass die unruhige Zeit innerhalb der Familie hinter ihr liegt. „Es sah lange nicht danach aus“, sagt Alexandra Altmann, „aber inzwischen können wir wieder alle zusammen in Urlaub fahren.“

Quelle: wir

Foto: Altmann GmbH


Weibliche Nachfolge im Fokus: „Die Unternehmensnachfolge ist meine Herzensangelegenheit.“

Nachfolge in drei Etappen: Im Jahr 2016 übernahm Melanie Baum vollständig das Industrieunternehmen Baum Zerspanungstechnik aus Marl im Ruhrgebiet von ihrem Vater. Die Übergabe wurde mit einem ausgeklügelten Nachfolgeplan verwirklicht.

Melanie Baum ist mit dem Familienunternehmen aufgewachsen. Bereits als Kleinkind hat sie in den Spänen gespielt und ihr Taschengeld in der Schulzeit mit diversen Nebenjobs im Betrieb aufgebessert. Dass sie einmal fest ins Unternehmen einsteigen würde hat sich wohl schon damals abgezeichnet, dennoch empfand sie den Familienbetrieb immer als eine Option unter vielen. “Meine jüngere Schwester und ich sind stets mit der Unterstützung unserer Eltern aufgewachsen. Sie haben immer gesagt wir sollen das tun was uns Spaß macht. Das war rückblickend ein Geschenk”, so die Unternehmerin.

Schon während ihres Studiums begann Melanie Baum Ideen und Verbesserungsvorschläge für das Familienunternehmen zu entwickeln und merkte immer mehr wieviel Leidenschaft sie für den Betrieb hegte. Nach ihrem Auslandssemester in Andalusien bat ihr Vater Hans-Peter Baum sie kurzfristig um einen vollzeitigen Einstieg ins Unternehmen. Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise traf die Kund*innen im Maschinenbau und in weiterer Folge die Baum Zerspanungstechnik hart. Nach den erfolgreichsten Geschäftsjahren der Unternehmensgeschichte von 2006 bis 2008, wurde der Betrieb innerhalb kürzester Zeit aufgrund der Krise ein Sanierungsfall.

Rückblickend sieht Melanie Baum diese oft schwierige Zeit als eine wertvolle Erfahrung an, denn sie lernte in Windeseile was es bedeutet ein Unternehmen erfolgreich zu führen und im Zuge von Sanierungsarbeit sämtliche Unternehmensbereiche neu zu strukturieren. Schlussendlich konnten sie alle Arbeitsplätze halten und das Unternehmen wieder in die Gewinnzone führen.

Mit einem durchdachten Nachfolgeplan übernahm Melanie Baum schrittweise die Geschäftsführung der Baum Zerspanungstechnik. Zwei Jahre durchwanderte sie Vollzeit als Trainee das Unternehmen, zwei Jahre begleitete sie ihren Vater und das Führungsteam und die letzten zwei Jahre begleitete der Vater die Tochter. Nach jeder Etappe wurde entschieden ob eine weitere Zusammenarbeit zielführend ist. “Wir schauten uns bereits nach dem ersten Jahr in die Augen und mussten gar nicht mehr viel sagen: es war klar, dass ich Unternehmerin bin und auf die Nachfolge hinarbeiten werde”, erinnert sich Baum. Sie betont wie wichtig der Faktor Zeit und eine vorausschauende Planung bei der Unternehmensführung sind. Kurz nach der erfolgreichen Übernahme verstarb ihr Vater unerwartet und sie ist sehr dankbar, dass die Nachfolge vorab gesichert war.

Heute hat das Unternehmen 60 Mitarbeiter*innen und kann auf eine Umsatzsteigerung von über 1 Million Euro blicken. Die Angestelltenzahl hat sich um sieben Stellen erhöht und der Maschinenpark ist um fünf Aggregate gewachsen. Als besondere Stärke des Betriebs beschreibt Baum die Unternehmenskultur. Neben Wachstum, Professionalität und Verantwortung hat vor allem das Miteinander den größten Stellenwert. “Ich liebe es Unternehmerin zu sein und ich liebe das Unternehmen Baum Zerspanungstechnik – dabei denke ich nicht an ein Logo, Gebäude, Kontostand oder Namen: Ich denke an die Menschen, denn sie machen das Unternehmen aus”, erzählt die Chefin begeistert.

Melanie Baum engagiert sich ehrenamtlich in der IHK Nordwestfalen als Vizepräsidentin, hält Vorträge zum Thema Unternehmensnachfolge und ist Botschafterin der NRW.BANK. “Es ist mir eine Herzensangelegenheit anderen Senioren im Nachfolgeprozess Erfahrungen der Junioren zu spiegeln und an die unternehmerische Verantwortung zu appellieren”, so die Nachfolgerin.

Melanie Baum, Finalistin der internen Nachfolge, Next Generation Award 2020
Baum Zerspanungstechnik e.Kfr., Marl, Nordrhein-Westfalen

_________________________

Weibliche Nachfolge im Fokus

Der VdU verleiht zum dritten Mal den Next Generation Award, den VdU-Preis für die Unternehmensnachfolgerin des Jahres. Mit dem Next Generation Award möchte der VdU zwei außergewöhnliche Frauen auszeichnen, die den Schritt als familieninterne und externe Nachfolgerinnen gegangen sind und anderen Mut machen. Die Finalistinnen des diesjährigen Next Generation Awards haben allesamt Mut, visionäre Kraft und Durchhaltevermögen bewiesen und sind somit ein wichtiges Vorbild für junge Frauen – wir freuen uns darauf, Ihnen die Nachfolgerinnen in den kommenden Wochen vorzustellen.

Quelle: Verband Deutscher Unternehmerinnen


So hat der Glashersteller Heinz-Glas die Nachfolge organisiert

Nach 43 Jahren an der Spitze übergibt Carl-August Heinz, in zwölfter Generation CEO des oberfränkischen Glasherstellers Heinz-Glas, seinen Posten an seine Tochter Carletta Heinz. Wie funktioniert der Generationenwechsel, wenn zwei Dickköpfe aufeinandertreffen?

Carl-August Heinz (70) und seine Tochter Carletta (36) sind sich nicht einig, wie so oft. Beide philosophieren über das Motto der Firma, das schon seit dem Mittelalter die Losung der Glasmacher ist: „Es ist ein unendlich’ Kreuz, Glas zu machen.“ Das stimme schon, sagt Carletta Heinz, die Glasherstellung sei energie- und kostenintensiv, der Markt umkämpft, der Wettbewerb groß, „aber es macht schon auch Spaß“. Der Vater verwehrt sich dagegen. „Ich habe ein Problem mit dem Wort Spaß“, sagt der CEO der Firma stirnrunzelnd. „Ich würde es eher Faszination nennen oder Herausforderung.“

Auf ihre Art passen Vater und Tochter gut zusammen. Beide sind nicht zimperlich, am wenigsten miteinander. Sie korrigieren sich gegenseitig, zuweilen fallen sie sich ins Wort. Von gespielter Einigkeit der Generationen ist nichts zu sehen. Dennoch sitzen sie am selben Tisch in Carletta Heinz’ Büro am Stammsitz des Glasherstellers Heinz-Glas im oberfränkischen Kleintettau, nur wenige Hundert Meter von der thüringischen Grenze entfernt. In wenigen Tagen wird Carletta ihrem Vater auf dem Posten des CEO folgen und damit verantwortlich für die Firmengruppe, die rund 3.300 Mitarbeiter beschäftigt, in normalen Zeiten täglich etwa 4 Millionen Glasflakons für Kosmetik und Parfüm herstellt und damit zuletzt mehr als 300 Millionen Euro Umsatz erzielte. Wie haben sie sich auf dieses gemeinsame Ziel eingeschworen?

Seit 43 Jahren leitet Carl-August Heinz das Familienunternehmen, das seine Wurzeln bis ins Jahr 1622 zurückverfolgen kann (siehe Kasten). Treibende Kraft hinter seinem Einstieg war sein Onkel Heinrich Heinz, der das Unternehmen zusammen mit Carl-Augusts Vater Adolf führte. Heinrich habe ihn geradezu darauf dressiert, sich zur operativen Nachfolge zu verpflichten. „Ich war noch nicht mal eingeschult, da wollte er von mir wissen: Sag mir, machst du es, oder machst du es nicht?“, berichtet Heinz. Entsprechend früh legte er sich auf einen späteren Einstieg ins Unternehmen fest. Das unternehmerische Erbe auch in elfter Generation zusammenzuhalten und zu mehren hat für ihn seit jeher oberste Priorität. Als der Onkel Heinrich Heinz 1973 kinderlos starb, vererbte er seinem Patensohn Carl-August, der zu diesem Zeitpunkt mitten im Studium steckte, seine Anteile an der Firma.

Im Jahr 1977 – Carl-August war 27, hatte sein Kaufmannsdiplom und einen Arbeitsvertrag bei einem amerikanischen Glasproduzenten in der Tasche – starb sein Vater Adolf unerwartet früh. Statt erst einmal externe Erfahrungen zu sammeln, wurde Carl-August auf einen Schlag Alleingeschäftsführer und zusammen mit seinem jüngeren Bruder Hauptgesellschafter. „Das kam sehr abrupt – und war daher eigentlich ganz einfach“, sagt er heute. Zum einen, weil durch den Tod des Vaters ein klarer Schnitt gemacht war, wodurch er die volle Verantwortung hatte.

Zum anderen sei allen Beteiligten – Kunden, Wettbewerbern, zum Teil auch alteingesessenen Mitarbeitern – bewusst gewesen, dass er für den Job eigentlich noch nicht bereit war und eine gewisse Lernphase brauchte. „Ich konnte praktisch nicht viel, aber das hat auch keiner erwartet, und ich selbst hab’s gewusst“, erinnert sich Heinz. Für das unternehmerische Fortbestehen war die fehlende Übergangsphase seiner Meinung nach gar nicht so gefährlich, wie man vermuten könnte. „Die größte Gefahr für das Geschäft ist die Selbstüberschätzung“, sagt er. „Ich war vorsichtig – ich wusste ja, dass ich meinen Vater nicht mehr habe.“ Die fehlende Beratung durch den Vater versuchte er durch die Expertise langjähriger Mitarbeiter zu ersetzen: „Das waren Prokuristen, keine Mitgeschäftsführer, aber alles alte Haudegen mit Weltkriegserfahrung. Denen hat nichts Panik gemacht.“

Unterstützung braucht Heinz in diesen ersten Jahren auch, denn die Glasherstellung ist ein hartes Brot. Nach dem Tod des Vaters ist er erst einmal mit der Konsolidierung des Geschäfts beschäftigt, er muss den Betrieb in unmittelbarer Zonenrandlage und den 1949 gegründeten Zweigbetrieb in der Eifel am Laufen halten, später die Internationalisierung vorantreiben, um überleben zu können. Schon kurz nach seinem Einstieg 1977 stürzt die zweite Ölkrise die energieintensive Branche in ernste Schwierigkeiten und fordert seine Belastungsfähigkeit und Entschlossenheit. Unter anderem bereinigt er das Portfolio des Stammwerks, das zu diesem Zeitpunkt noch viele Standardprodukte wie Getränkeflaschen herstellt, und legt so den Grundstein für die heutige Spezialisierung als Anbieter von hochwertigem Kosmetikglas. „Sehr viel Arbeit, sehr wenig Schlaf“ ist der Nenner, auf den er diese Zeit bringt. Als Geschäftsführer und Mehrheitseigner ist er die letzte Instanz für jede Entscheidung, das ist ihm überdeutlich bewusst. Sein Vater, der sich sein Leben lang weigerte, als Direktor des Werks angesprochen zu werden, habe ihm den Lehrsatz mitgegeben: „Ich bin Unternehmer, ich bezahle alle meine Fehler selbst.“

Zwar hat die Firma in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit Geschwister-Doppelspitzen gemacht, doch in Carl-Augusts Generation scheitert dieses Modell. Ab 1985 führt er die Geschäfte gemeinsam mit dem fast acht Jahre jüngeren Bruder Ludwig Karl-Friedrich Heinz, der seit dem Tod des Vaters wie Carl-August über ein Anteilspaket von 46 Prozent verfügte. In dem Jahr erwarb Carl-August Heinz gegen die Meinung fast aller in der Familie und der Firmenführung eine namhafte, aber in Konkurs geratene französisch-belgische Flakonglashütte und gründete eine Glasdruckerei bei Würzburg. Neben Kollisionen der Brüder bei der fachlichen Zuständigkeit bekommt der Jüngere zunehmend Angst vor der Verantwortung und den Entscheidungen, die auf der Geschäftsführung lasten. 2003 steigt er endgültig aus und verkauft seine Anteile überwiegend an Carl-August, der damit wieder allein an der Spitze des Unternehmens steht.

Das ändert sich erst zehn Jahre später, als seine Tochter Carletta mit 29 Jahren in die Firma einsteigt. Zu diesem Zeitpunkt hat sie ihr Diplom in Betriebswirtschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg abgeschlossen und auch die Mitgründung und Geschäftsführung des Start-ups CityHunters hinter sich, eines Anbieters von Teambuilding-Events, an dem sie bis heute Anteile hält. Natürlich habe er sich gewünscht, dass seine einzige Tochter ins Unternehmen kommt, sagt Carl-August Heinz. In einem Unternehmen, in dem der umfangreiche Familienstammbaum sogar eines der großen Garagentore zum Werksgelände ziert, ist das wohl kaum anders zu erwarten. Anders als sein Onkel damals sei er aber darauf bedacht gewesen, seine Tochter nicht zur Nachfolge zu drängen. Noch während ihres Studiums brachte er mehrmals alternative Szenarien ins Gespräch, in zwei Fällen ging es um konkrete Übernahmeangebote durch größere Wettbewerber oder Investoren, die bis heute immer mal wieder auf seinem Tisch landen. Für diese Versuche ihres Vaters, der Situation den Druck zu nehmen und ihr mögliche Exit-Strategien aufzuzeigen, hat Carletta Heinz bis heute kein Verständnis: „Ich habe jedes Mal gesagt: Papa, was redest du denn da? Wir haben hier eine Tradition zu verteidigen.“

Während Carl-August Heinz die Leitung der Firma Knall auf Fall übernehmen musste, plant er mit Carletta ab 2013 eine längere Einarbeitungsphase, in der sie hintereinander verschiedene Ressorts kennenlernt, erst im Controlling, später im Personalbereich und im Marketing. Zugleich scheint Carl-August Heinz bestimmte Umstände seiner eigenen Situation bei der Nachfolge – kein übermächtiger Vater, umfangreiche Entscheidungsfreiheit – auf entschärfte Art und Weise zu reproduzieren: Ihm ist wichtig, Carletta einen erfahrenen Berater an die Seite zu stellen, er hält es aber nicht für sinnvoll, diese Rolle selbst einzunehmen. Stattdessen holt er einen externen Manager in die Führung des Unternehmens, der als Mentor für Carletta fungiert. „Ich habe mich bewusst von ihr ferngehalten“, sagt er rückblickend.

Zugleich räumt er ihr umfangreiche Entscheidungsfreiheit ein, ähnlich wie er sie nach dem Tod des Vaters hatte. „Erzähl’s mir nicht, mach’s!“, sagt er. Anders als bei seinem jüngeren Bruder zu Zeiten der Doppelspitze ist er damit bei Carletta an der richtigen Adresse. Nur ein Jahr nach ihrem Einstieg etabliert sie 2014 das Thema Nachhaltigkeit als strategisches Ziel im Unternehmen und gründet ein globales Nachhaltigkeitsteam. Allein in den zwei Schmelzwannen am Stammsitz werden pro Tag jeweils 50 bis 70 Tonnen Rohstoffe bei 1.600 Grad Celsius zu Glasmasse verflüssigt. Der damit verbundene hohe Energiebedarf bietet einen großen Hebel, um ökologisch wie ökonomisch wirksame Einsparungen zu erzielen. Deshalb werden bei Heinz-Glas in Kleintettau diese Anlagen inzwischen ausschließlich elektrisch beheizt, mit Strom aus erneuerbaren Quellen. Auch die Digitalisierung des Betriebes auf allen Ebenen gehört zu den Verdiensten von Carletta Heinz, die im Grundstudium auch Wirtschaftsinformatik studiert hat. Im Sommer 2017 wird sie Chief Information Officer bei Heinz-Glas, 2019 kommt noch das Strategie-Ressort dazu, aktuell arbeitet sie an der Einführung eines neuen ERP-Systems.

Nachfolge als Holperstrecke

„Ich arbeite sehr geordnet und denke gern in Prozessen“, beschreibt Carletta Heinz ihre Arbeitsweise. „Das hat sie von ihrer Mutter“, kommentiert der Vater halb im Scherz. Tatsächlich habe er zeit seines Lebens eher aus dem Bauch heraus entschieden. Der „kreative Stil“, den Carletta ihrem Vater bescheinigt, liegt ihr fern. Die unterschiedliche Herangehensweise macht den Nachfolgeprozess zuweilen holperig, doch das hatten beide offenbar nicht anders erwartet. „Der elegante Übergang funktioniert eh nicht“, sagt Heinz. „Als ich damals angetreten bin, sind wir diese Holperstrecke nur umgangen, weil einfach niemand zweites in der Familie da war, mit dem man sich auf Augenhöhe auseinandersetzen konnte.“

Dass es Vater und Tochter dennoch gelingt, konstruktiv zusammenzuarbeiten, führt Carletta auf ihr gemeinsames Werte- und Zielverständnis zurück. „Wir wollen oft das Gleiche, haben aber sehr unterschiedliche Wege dorthin.“ Charakterlich sind sie sich ohnehin sehr ähnlich, das ist beiden klar. Carl-August Heinz beschreibt sich selbst als ruppig, rau und ungeduldig, gerade gegenüber Familienmitgliedern: „Bei denen geht man ja davon aus, dass sie es eigentlich genau so sehen beziehungsweise besser wissen müssten.“ Carletta nickt jede dieser Eigenschaften ab mit dem Kommentar: „Bin ich auch.“ Vater wie Tochter wirken auf ihre Art nachdrücklich, fast kämpferisch, er ernst und überlegt mit etwas versteckter Ironie, sie eher schlagfertig und mitteilsam. Die wohl wichtigste Gemeinsamkeit ist, dass sie das Kreuz des Glasmachens auf sich nehmen wollen, inklusive der Verantwortung, der Entscheidungen, der Fehler, die sie selbst bezahlen. In drei Schritten hat ihr Vater Carletta seit 2004 das Gros seiner Anteile übertragen, er selbst hält inzwischen nur noch ein symbolisches Prozent. „Ich bin nur noch Angestellter meiner Tochter“, sagt Heinz.

Und auch das ist er nicht mehr lange: Mit 70 Jahren gibt er den CEO-Posten an Carletta ab, so hat er es sich vorgenommen, Stichtag ist der 4. Juni 2020. Ob er gut loslassen könne? „Die Leute werden staunen“, sagt der Unternehmer lachend. Länger ins Ausland gehen, so sein eigentlicher Plan, kann er aktuell nicht. Dennoch ist ihm wichtig, eine gewisse Distanz zum Unternehmen zu schaffen. „Wenn sich hier nach einem halben Jahr alles eingespielt hat, pflege ich meine Hobbys und schaue mir als Aufsichtsrat die Monatsergebnisse an“, sagt Heinz. „Ich werde mit Sicherheit nicht wie der pensionierte Ehemann alle Topfdeckel hochheben und dann auch noch drin herumrühren.“ Wenn das gelingt, wird das „unendlich’ Kreuz“ des Glasmachens für Carl-August Heinz bald doch ein Ende haben.

Quelle: wir


Bei Deichmann tritt die vierte Generation in die Führung ein

Der Sohn von Konzernchef Heinrich Deichmann übernimmt beim Schuhhändler die Bereiche Digitale Innovation, Beteiligungen und Unternehmensentwicklung.

Düsseldorf Beim Schuheinzelhändler Deichmann ist zum 1. August die vierte Generation ins Unternehmen eingestiegen. Der 27-jährige Samuel Deichmann wird sich vor allem mit Zukunftsprojekten befassen und sich um die digitale Transformation und das Beteiligungsgeschäft kümmern. Lange hatte der Schuheinzelhändler zu dem Thema Nachfolge geschwiegen.

Was die „Welt am Sonntag“ zuerst berichtete, bestätigte der Unternehmenssprecher. Konzernchef Heinrich Deichmann bezeichnete den Schritt der vierten Generation ins Unternehmen als „klares Bekenntnis zur Kontinuität unseres Unternehmens als Familienunternehmen“. Auch in Zukunft wolle man das Unternehmen „mit den Werten fortführen, mit denen mein Großvater, mein Vater und ich diese Firma geführt haben“.

Ganz leicht ist das nicht in Corona-Zeiten. Deichmann hatte 96 Prozent seines Umsatzes während des Lockdowns durch die Schließungen der Geschäfte hinnehmen müssen, hatte er im Interview mit dem Handelsblatt Ende März gesagt, und sah sich massiver Kritik ausgesetzt, weil Deichmann auch in die Diskussion mit den Vermietern der Ladenlokale gegangen war. Deichmann beschäftigt derzeit in 31 Ländern rund 43.000 Mitarbeiter und setzte 2019 rund 6,5 Milliarden Euro um.

Im Handelsblatt-Interview hatte Konzernchef Heinrich Deichmann offenbart, dass der Online-Anteil am Gesamtumsatz im einstelligen Prozentbereich liegt. Da könnte Samuel Deichmann sicher ansetzen. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium, das er mit dem Master abschloss, arbeitete er bei der Strategieberatung Boston Consulting mit Schwerpunkt auf Konsumgüter und Marketing/Sales.

Quelle: Handelsblatt


Family Compliance: Der erfolgreiche Umgang mit einer Familienverfassung

Ungefähr 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen, welche etwa 50 Prozent zum Gesamtumsatz in Deutschland beitragen. So ist es schon eine traurige Erkenntnis, die im Laufe der Jahre in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung reifte: Ein Familienunternehmen scheitert letztlich in seltenen Fällen am Markt, sondern in den meisten Fällen an der Familie selbst. Schon in dem 1901 erschienenen Werk »Buddenbrooks« von Thomas Mann findet sich die im Volksmund häufig kolportierte Triade

„Der Vater erstellt’s,
der Sohn erhält’s,
dem Enkel zerfällt’s.“,

deren Relevanz jeder für sich selbst in der Realität überprüfen mag. In den 1980er Jahren untersuchte Ward (2011) erstmals systematisch die Nachfolge in Familienunternehmen. Diese und weitere Studien gelangten zu der Erkenntnis, dass nicht einmal zwei Drittel der Familienunternehmen die zweite Generation überleben, wohingegen lediglich etwa ein Drittel die dritte Generation überdauern. Die vierte Generation erreichen je nach Studie lediglich zehn bis 15 Prozent. Dem Wechselspiel der Kräfte von Macht, Geld und Liebe kann selbst die stärkste Familie erliegen. Vorrangiges Ziel bei einem Familienunternehmen ist fast immer der Erhalt und Verbleib des Unternehmens in der Familie – nicht zuletzt auch, um die Existenz der Eigentümerfamilie sowie im besten Fall zukünftiger Generationen zu sichern.

Was könnte diese Existenz gefährden? »Der größte Wertvernichter in Familienunternehmen ist der Streit.« Gründe für Streit finden sich ständig. Sei es, dass zwischen dem Sohn und der Tochter ein interner Konkurrenzkampf um die Unternehmensnachfolge und damit um die Gunst des Vaters ausbricht – wobei grundsätzlich zu klären wäre, ob einer der beiden überhaupt objektiv für die Nachfolge geeignet erscheint –, oder dass ein Gesellschafter dem Unternehmen den Rücken kehrt und das Unternehmen durch die Auszahlung seiner Gesellschaftsanteile in eine existenziell bedrohliche Lage bringt. Es gehört zu den nicht ganz einfachen täglichen Herausforderungen von Familienunternehmern, den Spagat zwischen Familie und Unternehmen zu meistern. Wo immer mehr Menschen mit teils unterschiedlichen Intentionen aufeinandertreffen, steigt die Komplexität zwangsläufig. Die angesprochene Komplexität umfasst im Wesentlichen drei Konstellationen: Unternehmen versus Familie, Gemeinschaft versus Individuum und ältere Generation versus jüngere Generation.Hier setzt die Familienverfassung an und will als »[g]roße Klammer« zwischen den Generationen und dem Unternehmen gesehen werden.

So ist dieser Spagat zwischen Familie und Unternehmen am wahrscheinlichsten mit von allen akzeptierten Spielregeln zu meistern. Eine Familienverfassung möchte Leitlinien – und meint damit Strategie, Struktur und Spielregeln – sowohl für die Familie als auch im Hinblick auf das gemeinsame Unternehmen aufstellen. Dabei schafft die Familienverfassung Transparenz, erhöht die Sicherheit für jeden einzelnen und professionalisiert die Zusammenarbeit. Sie möchte als Instrument zur Streitvermeidung verstanden werden, das einen »grundlegenden Wertekonsens in zentralen Fragen rund um das Verhältnis zwischen Familie und Unternehmen unter den Beteiligten herstellt.« Die Verbreitung der Familienverfassung in Deutschland steht allerdings erst am Anfang. In Ermangelung fundierter empirischer Untersuchungen darüber, in wie vielen Familienunternehmen tatsächlich eine Familienverfassung existiert, lässt sich diese Frage nicht präzise genug beantworten. Eine im Jahre 2011 durchgeführte stichprobenartige Befragung von 148 Inhabern deutscher Familienunternehmen ergab zumindest eine erste Tendenz: Etwa ein Viertel der befragten Unternehmen haben eine Familienverfassung. Immerhin zirka 50 Prozent der Unternehmen, die zu diesem Zeitpunkt keine hatten, zogen ernsthaft in Erwägung, in naher Zukunft ein solches Regelwerk erstellen zu wollen. Der Mehrwert einer Familienverfassung im Sinne eines positiven Einflusses auf die Gesamtsituation innerhalb der Unternehmerfamilie soll in dieser vorliegenden Arbeit vorausgesetzt werden. Die vorgenannte Studie gibt auch dazu eine erste Indikation. Die Nutzer einer Familienverfassung sehen ihre Erwartungen an diese in der Praxis in hohem Maße erfüllt: sowohl in emotionaler als auch in ökonomischer Hinsicht. So wird auch in der Literatur die positive Wirkung einer Familienverfassung nicht in Frage gestellt.

Wenngleich dieser Mehrwert einer Familienverfassung ganz grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird, so lässt sich dennoch feststellen, dass die Grundlage für die Entfaltung ihrer positiven Eigenschaften häufig zu kontroversen Diskussionen führt, die nicht selten in Ausführungen zur rechtlichen Bindungswirkung eines solchen Instruments münden. In diesem Zusammenhang mahnt Gläßer (2014) zu Recht an, die Betrachtung der »Leistungsfähigkeit« einer Familienverfassung nicht immer nur in Verbindung mit der materiellen Bindungswirkung der Inhalte zu sehen, sondern vielmehr deren »prozedurale Wirkung« näher zu untersuchen. Dies spricht bereits für die Relevanz dieser Arbeit. Familienverfassungen haben trotz ihrer praktischen Relevanz bislang noch keine vertiefte wissenschaftliche Betrachtung erfahren. Die Literatur scheint vielmehr durch die Beraterpraxis geprägt zu sein. Die spärlich vorhandene Literatur zu Familienverfassungen handelt zumeist lediglich von den Inhalten und der Herangehensweise zur Erstellung einer solchen. Das Fehlen einer wissenschaftlichen Untersuchung, die jene Maßnahmen beleuchtet, die die Wahrscheinlichkeit der Regelbefolgung durch die Familienmitglieder erhöhen, spricht für die Dringlichkeit einer solchen nun veröffentlichten Forschungsarbeit und damit für deren
wissenschaftliche Relevanz.

Es lässt sich festhalten, dass der Mehrwert einer Familienverfassung für die Familie und damit auch für den langfristigen Fortbestand des Unternehmens von besonderer Bedeutung ist und somit geeignete Maßnahmen ergriffen werden sollten, um sicherzustellen, dass die aufgestellten Regeln stets auch möglichst von allen befolgt werden (»Family Compliance«).

Es herrscht überwiegend Einigkeit darüber, dass dieses Regelsystem keinen rechtsverbindlichen Charakter haben soll, sondern vielmehr als moralisch verbindlich gelten soll. Umso mehr stellen sich jedoch Unternehmerfamilien die Frage, von welchen Determinanten es abhängt, ob die in einer Familienverfassung festgelegten Spielregeln auch von allen Familienmitgliedern befolgt werden. Hier setzt die Forschungsarbeit an und zeigt konkrete präventive und reaktive Maßnahmen auf und gibt damit Unternehmerfamilien konkrete Handlungsempfehlungen an die Hand.

Der Autor

Dr. Marco Henry Neumueller, der Gründer und Autor von „FAMILIENUNTERNEHMEN im FOKUS“, studierte Elektrotechnik und Informationstechnik an der Universität Stuttgart, parallel dazu Rechtswissenschaften an der FU Hagen . Es folgten Master-Abschlüsse in Wirtschaftsrecht und General Management mit Aufenthalten in den USA, in Großbritannien, Schweden, Japan und Südkorea. Als Stipendiat der Stiftung Familienunternehmen sowie der EQUA-Stiftung wurde er 2019 an der Universität Witten/Herdecke promoviert. Derzeit ist er für eine führende internationale Personalberatung in Frankfurt tätig und berät schwerpunktmäßig Familienunternehmen.

Quelle: Familienunternehmen.eu


Unternehmensnachfolge in Werkstätten

Bei vielen Werkstätten sind die Inhaber und Inhaberinnen in dem Alter sich Gedanken über die Nachfolge zu machen. Gehören Sie auch dazu?
Schon lange ist es nicht mehr selbstverständlich, dass Tochter oder Sohn den elterlichen Betrieb übernehmen. Aber selbst wenn das der Fall ist, gilt es sich aktiv und frühzeitig um eine geregelte Unternehmensübernahme zu kümmern. Viele Details müssen dann geregelt werden: Wer hat wie wann das Sagen? Wie werden die Eigentumsverhältnisse geregelt und wie lange arbeiten die beiden Generationen parallel? Denn auch wenn durch die tägliche Zusammenarbeit viele Dinge zur Routine werden; es gibt ständig neue Anforderungen und die Palette der gesetzlichen und rechtlichen Vorgaben muss immer aktuell sein. Da gibt es einiges zu beachten.

Wenn keine Kinder für die Nachfolge bereitstehen, wird es meist noch komplexer. Entweder man entscheidet sich – meist schweren Herzens – das Unternehmen komplett zu schließen und muss sich dann um die Abwicklung und möglicherweise den Verkauf der Immobilie kümmern. Oder die Suche nach einem geeigneten Käufer startet. Das ist meist eine der schwierigsten Aufgaben. Vieles muss passen und der Übergabeprozess muss sehr gut vorbereitet sein.

Kfz-Werkstatt Übergabe/Übernahme

Werkstattinhaber, die nach vielen Jahren in ihrem Beruf ihren wohlverdienten Ruhestand antreten möchten, können diese zum Kauf anbieten. Gibt es keine Nachfolger in der Familie, bietet das Übernahme-/Übergabe-Verfahren eine gute Möglichkeit, die gesamte Werkstatt samt Ausstattung und Arbeitsmaterialien zu veräußern. Wichtig: Was Sie dafür brauchen ist vor allem Zeit. Um einen angemessenen Preis zu erzielen, sollten Sie einige Jahre vor Ihrem Ruhestand damit starten, nach einem Käufer Ausschau zu halten.

Denn: Sie müssen nicht nur einen Kandidaten finden, der Interesse an einem Kauf zu einem ordentlichen Preis hat, sondern auch einen Kandidaten, der zu Ihnen passt.

Schließlich ist der Verkauf der Werkstatt für beide Seiten dann am erfolgversprechendsten, wenn Käufer und Verkäufer gut miteinander klarkommen und im Idealfall einige Zeit gemeinsam Arbeiten, so dass die Kunden – ein wesentlicher Wert des Unternehmens – übergeben werden können. Eine feste Regelung, wie lange die Zeit sein muss, die gemeinsam in der Werkstatt gearbeitet wird, gibt es nicht. Gut ist es vor allem für den Käufer, wenn der Verkäufer noch ein halbes Jahr im Unternehmen verbleibt, um die Übergabe gut abzuschließen.

Für einen geeigneten Käufer/Interessenten bietet die Übernahme relevante Vorteile. Da häufig ein fester Kundenstamm besteht, kann dieser direkt mit übernommen werden. Zusätzlich ist es für Existenzgründer wichtig, schnell in den Alltag als Selbstständiger reinzukommen. Auch bestehende Verträge mit Großhändlern oder evtl. mit Werkstatt-Konzepten können den Start sehr gut unterstützen. Wer also künftig sein eigener Chef sein will, der macht sich selbst den Start deutlich einfacher, wenn er eine bestehende und funktionierende Werkstatt übernimmt und nicht neu gründet.

Käufer und Verkäufer bekommen Unterstützung und Beratung bei unterschiedlichen Anlaufstellen: Als erste Anlaufpunkte seien an dieser Stelle die Handwerkskammern und die Innungen genannt, die bei Verkauf und Kauf, wie auch bei Familieninterner Übernahme unterstützen.

Vom Vater zum Sohn, von der Mutter zur Tochter: Familieninterne Nachfolge in der Werkstatt

Früher war es das Idealbild eines jeden Unternehmers und früher hatten die Kinder auch nicht wirklich eine Wahl: Es war klar, dass sie den elterlichen Betrieb übernehmen. Glücklicherweise ist das heute nicht mehr so, allerdings erschwert die Wahlfreiheit auch einiges im familieninternen Übernahmeprozess.

Die Fragen, die schon vor dem Gedanken an eine Übernahme gestellt werden sollten sind:

  1. Wollen Sie für Ihre Kinder die Selbstständigkeit?
  2. Wollen Ihre Kinder selbstständig sein?
  3. Und: Wollen Ihre Kinder in diesem Bereich selbstständig sein?

Denn nicht nur das Berufsbild muss übereinstimmen, sondern auch der Wunsch dieses selbstständig durchzuführen. Denn das, wer wüsste das besser als Sie, ist nicht jedermanns Sache.

Wenn eine familieninterne Unternehmensübergabe ansteht ist das Wichtigste, dass beide Seiten das als anspruchsvolle Aufgabe begreifen. Vermeiden Sie unter allen Umständen, die Unternehmensübergabe so „nebenbei“ zu machen, denn die Erfahrung lehrt, dass das eine Menge Schwierigkeiten mit sich bringt.

Auch wenn eine familieninterne Übernahme ansteht, sollten Sie den Übergabe-Prozess drei bis fünf Jahre vor Übergabe anstoßen. Klären Sie mit Ihrem Nachfolger konkret Erwartungshaltungen – und zwar gegenseitig. Denn eine Übernahme, in der das Elternteil sein Lebenswerk an die Kinder übergibt, beinhaltet viele Punkte, an denen die Eltern-Kind-Beziehung leiden kann: Häufig fühlt sich die Elterngeneration überrumpelt, wenn der Junior mal vorprescht und es anders entscheidet, als es der Senior gemacht hätte.

Wichtig: Spielen Sie mit offenen Karten und nehmen Sie sich die Zeit, die Übergabe gemeinsam mit Ihrem Kind, konkret zu regeln. Folgende Dinge sollten dabei auf jeden Fall thematisiert und für beide nachvollziehbar geregelt werden:

  • Gesellschafteranteile
    (Wann wird welcher Anteil übertragen? Spielen Geschwister eine Rolle?)
  • Über Geld spricht man! Gehalt (beider Parteien)
  • Transparenz der Zahlen – ab wann hat wer Zugriff auf welche Zahlen?
  • Entscheidungsbefugnisse: Wer darf was entscheiden?
  • Mögliche Rentenansprüche/Gehaltsfortzahlungen für den Inhaber
  • Lieferanten- und Kundenkontakte
  • Zeitplan
    Das beinhaltet auch, dass Sie sich als Inhaber Gedanken über Ihren Ruhestand machen müssen: Denn wenn Sie bisher rundum die Uhr in Ihrem Unternehmen gearbeitet haben, wird es Ihnen nicht leicht fallen, sich aus dem Betrieb zurück zu ziehen. Das muss aber irgendwann passieren, so dass Sie sich frühzeitig Gedanken machen sollten, was danach folgt.

Grundsätzlich empfiehlt es sich, von Anfang an einem konkreten Plan zu folgen, damit beide Parteien wissen, auf was sie sich einlassen: So kann beispielsweise der Nachfolger für ein Jahr als Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt werden um Prozesse, Mitarbeiter und Kunden kennenzulernen. Dann folgt ein weiteres Jahr, in dem gleichberechtigt entschieden wird. Im dritten Jahr, zieht sich der Senior zurück, steht aber als Berater – möglicherweise auch Teilzeit als operative Unterstützung, zur Verfügung.

Haben Sie solche Pläne, wissen alle Beteiligten, auf was sie sich einlassen und können sich darauf einstellen. Trotz des Plans, sollten Sie sich eine gewisse Flexibilität erlauben, wenn es der Betrieb verlangt. Wer kennt nicht die Familienunternehmen, in denen der „Alte“ auch im gesetzten Alter noch jeden Tag in den Betrieb kommt und dem „Jungen“ in die Entscheidungen reinquatscht. Ein konkreter Plan hilft genau dies zu vermeiden.
Jeder Werkstattinhaber, der seinen Betrieb an ein Kind übergibt, sollte sich einen festen Zeitplan machen, wann er sich zurückzieht. Denn der Nachfolger wird Fehler machen – das ist klar. Aber wenn er erfolgreicher Unternehmer werden will, führt daran kein Weg vorbei und dafür braucht er das Vertrauen seines Elternteils und die Rahmenbedingungen, Entscheidungen treffen zu können.

Bei Geld hört die Freundschaft auf, heißt es so oft; aber auch familiäre Beziehungen können darunter deutlich leiden, wenn es nicht klar geregelt wird. Beachten Sie auch, andere Kinder in den Prozess einzubeziehen, damit es keine Missstimmungen unter den Geschwistern gibt.

Qualität ist Mehrwert Tipp: Nehmen Sie die Unternehmensübergabe nicht auf die leichte Schulter. Unabhängig davon, an wen Sie übergeben: Es geht immer um Geld und auch um Emotionen, schließlich übergeben Sie einen Teil Ihres Lebenswerks. Bei der Handwerkskammer erhalten Sie sinnvolle Unterstützung und häufig auch Berater, die Ihnen bei wichtigen Fragen oder Konflikten zur Seite stehen.

Für die, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wollen gibt es zahlreiche Angebote bei der Handwerkskammer. Und auch alleine kann man die Dinge vorantreiben. Als Hilfestellung bietet sich dafür beispielsweise die „Landkarte Unternehmensnachfolge“ an, mit der man sich gemeinsam oder alleine den wichtigsten Fragen nähern kann: https://www.dienaechsten100.de/shop/.

Quelle: Qualität ist Mehrwert


Vermögensübertragung – Widerruf der Nachfolge – paywall

In Krisenzeiten müssen Weichenstellungen oft rückgängig gemacht werden. So werden sich aufgrund der Covid-19-Pandemie einige Übertragungen von Vermögen im Nachhinein tatsächlich als problematisch herausgestellt haben.

Die Covid-19-Pandemie beschäftigt nicht nur denjenigen, der seine Vermögensnachfolge plant, sondern auch denjenigen, der bereits lebzeitig durch vorweggenommene Erbfolge Vermögen übertragen hat. Gerade bei der Übertragung unternehmerischen Vermögens wird häufig der Weg der lebzeitigen Übertragung gewählt. Dies bietet gegenüber einer Übertragung von Todes wegen einige Vorteile. Praktisch kann zu Lebzeiten des übertragenden Seniors ein fließender und begleiteter Übergang des Unternehmens auf den oder die Nachfolger durchgeführt werden.

Quelle: FAZ.net vom 31.07.2020


Thomas Bruch von Globus: Wenn Besitz keine Rolle mehr spielt

Thomas Bruch, Gesellschafter der Globus Holding mit 8 Milliarden Euro Umsatz, übergibt die Führung an seinen Sohn Matthias, nicht aber seine Unternehmensanteile. Er hat sich für eine Stiftungsstruktur als Nachfolgelösung entschieden. Wie unternehmerisch kann sein Sohn noch agieren?

Herr Bruch, fühlen Sie sich noch als Familienunternehmer, obwohl die Globus-Gruppe Ihnen nicht mehr zu ganzen Teilen gehört?

Im Jahr 2005 habe ich wesentliche Teile meiner Anteile am Unternehmen auf zwei Stiftungen übertragen: auf die gemeinnützige Globus-Stiftung und auf eine Familienstiftung, bei der die Stimmrechte liegen. Meine unternehmerischen Aufgaben konnte ich in dieser Struktur uneingeschränkt weiterführen. Wir sehen uns weiter als Familienunternehmen, allerdings mit der Besonderheit, dass die Stimmrechte an der Globus Holding nicht einfach vererbt werden. Sie gehen über die Stiftungsstruktur an Menschen, die dafür die notwendigen Fähigkeiten und Werte mitbringen. Mein Sohn Matthias wird in diesem Jahr mein Nachfolger werden.

Quelle: https://wirmagazin.marktundmittelstand.de/eigentum/thomas-bruch-von-globus-wenn-besitz-keine-rolle-mehr-spielt-1293151/


Ardex übernimmt verbleibende Anteile der Familie Knopp

Das Wittener Unternehmen Ardex ist auch in Corona-Zeiten weiter auf Wachstumskurs. Jetzt wurde die Knopp-Unternehmensgruppe übernommen.

Das Wittener Unternehmen Ardex, Weltmarktführer bei bauchemischen Spezialbaustoffen, hat das Familienunternehmen Knopp übernommen. Die Knopp-Unternehmensgruppe mit Sitz im fränkischen Dettelbach ist einer der führenden Anbieter von Estrich- und Betonzusatzmitteln.

Schon vor drei Jahren hatte sich Ardex mehrheitlich an der Knopp-Gruppe beteiligt. Jetzt habe sich die Familie Knopp dazu entschlossen, ihre Anteile vollständig an Ardex zu verkaufen, heißt es von der Ardex-Gruppe. Auch nach der vollständigen Übernahme bleibe die Knopp-Gruppe als eigenständiges Unternehmen innerhalb der Ardex-Gruppe erhalten. Das weltweit tätige Familienunternehmen Ardex beschäftigt 3300 Mitarbeiter.

Ardex investierte 35 Millionen Euro in Witten

Im Juli hatte Ardex nach zweijähriger Bauzeit sein neues Logistzentrum an der Friedrich-Ebert-Straße eröffnet. 35 Millionen Euro ließ sich der Premium-Hersteller chemischer Bauprodukte das Zentrum kosten. Es handelt sich um die bislang größte Investition der Ardex-Unternehmensgeschichte am Wittener Standort.

Quelle: WAZ


Covid-19 erschwert die Unternehmensnachfolge – paywall

Die Rezession kann zu hohen Erbschaftssteuern führen, die Berechnungen für die Erbschaftsteuerverschonung wurden nicht angepasst. Das gefährdet Unternehmensumstrukturierungen.

Die Pandemie stellt sowohl Unternehmer, die vor kurzem oder einigen Jahren mit Unternehmensanteilen beschenkt wurden, als auch diejenigen, die eine Unternehmensübergabe planen, vor große Herausforderungen. Dies gilt steuerlich, weil die durch die Pandemie ausgelöste Rezession nicht nur operative, sondern auch steuerliche Schwierigkeiten hervorrufen kann, die die erbschaftsteuerliche Verschonung einer Unternehmensschenkung gefährden können. Schenkte man vor zwei oder drei Jahren Unternehmensanteile, dann regelmäßig zu einem hohen Unternehmenswert. Wir befanden uns in einem Boom mit vollen Auftragsbüchern.

Quelle FAZ vom 8.7.2020 (paywall)


Page 1 of 7123...Last

Aktuelles

Berater

Finden Sie den für Ihre Situation passenden Berater in unserem Beraterpool