Eine Nachfolge über Internetplattformen zu finanzieren kann sinnvoll sein. Aber aufgepasst: Plattform ist nicht gleich Plattform.

Text: Claas Möller Foto: stock.adobe.com

Beim Thema Unternehmensfinanzierung entfalten das Internet und insbesondere Internetplattformen noch keine disruptive Wirkung.

„Wir gehen davon aus, dass bis 2025 zehn Prozent des gesamten Kreditvolumens durch digitale Kanäle abgewickelt werden wird. Aktuell sind es 1 bis 1,5 Prozent“

sagte kürzlich Dr. Daniel Bartsch, Gründungspartner und Vorstand der Creditshelf Aktiengesellschaft.

Der deutsche Mittelstand steht noch immer in Treue fest zu seiner Bank: Über 85 Prozent der Mittelständler haben nur ein bis zwei gewerbliche Bankverbindungen, ermittelte die Kreditplattform Compeon – obwohl einem Fünftel aller Unternehmen schon einmal eine Finanzierung versagt wurde und seit der Finanzkrise 2008 die Geldinstitute bei Krediten wegen sich weiter verschärfender Eigenkapitalbestimmungen immer mehr knausern.

„Die Kredithürde ist für kleinere Firmen spürbarer als für größere. Das Kernprodukt Mittelstandskredit ist nicht unbedingt profitabel für eine Bank. Ab einer gewissen Größe ist es für die Bank auch egal, ob sie eine Kreditsumme von 500.000 oder 1,5 Millionen Euro prüft – der Prozess ist der gleiche und dann durchlaufe ich ihn natürlich lieber für ein größeres Ticket.“

sagt Stephan Schneider, Partner Manager der Creditshelf AG

„Online-Marktplätze für Kredite bieten im Vergleich zu  traditionellen Banken schnellere, transparentere und rein digitale Kreditantragsverfahren sowie kleinere und kurzfristigere Kredite“, heißt es in der Analyse „Der deutsche FinTech-Markt im Jahr 2020“ für das ifo Institut: „Durch die Nutzung von Algorithmen entwickeln und nutzen diese Marktplätze häufig eigene Kreditscoring-Modelle, wodurch Abwicklungskosten gesenkt werden und folglich der Zugang zu einer Finanzierung auch für Privatpersonen und KMUs mittlerer Bonität ermöglicht wird.“

Zwei verschiedene Typen von Internet-Kreditplattformen kommen für die Finanzierung von Nachfolge-Lösungen kleinerer Mittelständler infrage. Alle Plattformen versprechen kurzfristig (oft innerhalb von 48 Stunden) eine Indikation, ob der Kreditwunsch klappen könnte. Anfragen und Beratung sind kostenfrei. Erst beim Abschluss entstehen Kosten. Sie teilen sich in zwei Gruppen auf:

P2P-Plattformen

Eine kleine Gruppe von Kreditplattformen verfügt über einen eigenständigen Kreditprozess, prüft also selbst das Risiko, vergibt eigene Kredite und übernimmt auch deren komplette Abwicklung. Sie werden auch P2P-Plattformen genannt: Peer to Peer, da sie ohne Zwischeninstanz agieren. Registrierung, Kreditanfrage und Upload erforderlicher Unterlagen erfolgen online. Grundsätzlich findet ein persönliches Gespräch mit dem Antragsteller statt. Für Creditshelf-Partner Manager Stephan Schneider zeigt sich die Effizienz dieses Kreditprozesses auch daran, dass 80 Prozent der Kunden Wiederkehrer sind. Laut Constantin Fabricius, Geschäftsführer des Verbands deutscher Kreditplattformen (VdK), erweist sich das Risikomanagement beim Blick auf die Ausfallraten dieser alternativen Finanzierungen selbst jetzt in der Corona-Krise branchenweit als robust. Auch Übernahmefinanzierungen finden über P2P-Plattformen statt, aber in einem überschaubaren Rahmen. Beide Anbieter in unserer Übersicht finanzieren ihre Kredite aus hauseigenen Fonds für institutionelle Anleger, an denen unter anderem auch der Europäische Investitionsfonds beteiligt ist. Die auf den Plattformen vergebenen Kredite sind in der Regel unbesicherte, aber erstrangige Annuitätendarlehen mit einem Zins von 2,5 bis 10 Prozent – je nach Bonität und Laufzeit. Damit kommen Kunden zum Zuge, die für Banken aufgrund der Bonität, des Aufwands oder der Eigenkapitalanforderungen nicht interessant sind. Creditshelf benötigt beim Unternehmenskauf grundsätzlich, October von Fall zu Fall eine selbstschuldnerische Bürgschaft des Käufers/Gesellschafters. Makler-Plattformen (siehe hierunter) schließen fehlende Bausteine in einer komplexen Finanzierung ihrerseits gern mit Krediten der P2P-Plattformen.

Finanzierungsportale

Finanzierungsportale, die größere Gruppe digitaler Plattformen, sind im Grunde Makler- oder Vermittlungsplattformen. Sie arbeiten mit einer Vielzahl von Geldinstituten zusammen, aber auch mit alternativen Kapitalgebern: also Banken und Sparkassen, Großbanken, Förderbanken, Factoring- und Leasinggesellschaften und z.B. Debt Funds; gerade diese übernehmen nicht selten auch große Akquisitionsfinanzierungen. Kreditanfragen werden ähnlich wie bei den P2P-Portalen mitsamt der erforderlichen Unterlagen entgegengenommen und es erfolgt eine grobe Kreditvorprüfung, die den eigentlichen Finanzierern Arbeit abnimmt. Bei komplexeren Anfragen können die Portale Finanzierungsanfragen auch strukturieren, also in verschiedene Finanzierungskomponenten splitten. Der Kreditwunsch wird an eine Auswahl von Partnern weitergeleitet – an welche, hängt von deren Vorgaben ans Portal ab. Auch Interessenten können diese Auswahl beeinflussen, indem sie etwa ihre Hausbank von vornherein ausschließen, bevor sie eine Auswahl an Offerten erhalten.

„Einen vollständigen Marktüberblick haben diese Vermittlungsportale nicht, da sie ja nicht mit allen Kreditinstituten in Deutschland eine Marktbeziehung haben“

gibt VdK-Geschäftsführer Constantin Fabricius zu bedenken.

gKreditprüfung, ‑gewährung und ‑abwicklung finden im Verhältnis zwischen dem Interessenten und dem Finanzierer statt, der den Kreditwunsch schließlich bedient. Die Art der Gestaltungsmöglichkeiten ist durch die Vielzahl der dahinterstehenden Anbieter groß.

Vermittlungsplattformen/Finanzierungsportale

Compeon (compeon.de)

Aktiv seit 2014Bedient Kreditbedarf zwischen 1.000 und 25 Millionen EuroRund 300 Finanzierungspartner (neben Kreditinstituten auch alternative Finanzierer, z.B. Debt Funds)Besonderheiten: nach eigenen Angaben größte deutsche Plattform für gewerbliche Finanzierungen (Gesamtkreditvolumen: 1,4 Milliarden Euro).

Finanzierung.com (finanzierung.com)

Aktiv seit 2014Mindestkreditsumme 1 Million Euro bei komplexeren ThemenÜber 400 Finanzierungspartner (Banken und alternative Finanzierer wie FinTechs und Debt Funds)Besonderheiten: in Deutschland und Österreich tätig; eigene Finanzierungsvehikel in Planung.

FinCompare (fincompare.de)

Aktiv seit 2017Kreditsummen ab 10.000 EuroÜber 250 Finanzierungspartner (darunter Banken und alternative Anbieter)Besonderheiten: Interessenten erhalten bis zu fünf Angebote; für Nachfolge kommen vor allem Firmenkredite in Betracht.

FinMatch (finmatch.de)

Aktiv seit 2019Vorhaben ab 500.000 Euro VolumenEtwa 300 Partner (zu 80 Prozent Banken, außerdem Förderbanken und alternative Kapitalgeber)Besonderheiten: M&A-Finanzierungen machen circa 10 Prozent aus (vor allem mit Mezzanine- oder Private-Debt-Fund-Finanzierungen). Vorgeschaltet ist immer ein Fördermittel-Check.

P2P-Plattformen

Creditshelf (creditshelf.com)

Aktiv seit 2015Kreditanfragen von 100.000 bis 5 Millionen Euro VolumenProdukt: unbesicherte vollamortisierende erstrangige Annuitätendarlehen (Laufzeit maximal 8 Jahre, Zins 410 Prozent )Finanzierung vor allem aus hauseigenen Fonds mit Beteiligung des Europäischen Investitionsfonds (EIF); daneben weitere Instrumente.

October (october.eu)

In Deutschland aktiv seit 2020Kreditanfragen von 30.000 bis 3 Millionen Euro VolumenProdukt: unbesicherte linear tilgende Annuitätendarlehen (2,59 Prozent Zins, 6 bis maximal 84 Monate Laufzeit)Finanzierung aus eigenem Fonds für institutionelle Anleger mit Beteiligung des EIF; in anderen europäischen Ländern aktiv und daher für grenzüberschreitende Deals geeignet.

Auswahlkriterien

Nicht berücksichtigt wurden Plattformen für Crowdfunding (eine Art Spende für ein Projekt im Gegenzug zu  einer lobenden Erwähnung beispielsweise), Crowdlending oder auch Crowdinvesting (Aufnahme eines Darlehens von den Crowdinvestoren; bisweilen werden auch diese mit Crowdfunding bezeichnet). Auf solchen Portalen werden detailliert Vorhaben präsentiert, für die Mittel mithilfe von Kampagnen eingeworben werden. Hier fehlt die nötige Diskretion für Nachfolge-Transaktionen. Das gilt auch für Schuldscheinplattformen und überdies für Plattformen, die sich an Privatkunden wenden oder deren Kreditobergrenze zu niedrig für eine Akquisitionsfinanzierung ist. Ebenfalls nicht in der Übersicht vertreten sind digitale Plattformen, die im Grunde nur der Vertriebsweg einer einzigen oder weniger Banken sind.

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