Auf Baustellen gross geworden – Thelen Gruppe Essen

Text: Daniel Boss Fotos: Thelen Gruppe

Christoph Thelen (24) führt gemeinsam mit seinem Vater Wolfgang die Essener Thelen Gruppe. Mit dem Erwerb der ThyssenKrupp-Liegenschaften ist ihnen ein spektakulärer Coup gelungen.

Legendäre Garagen-Gründungen haben den Abstellplatz fürs Auto zu einem mythischen Ort der Start-up-Szene werden lassen. Im Vergleich dazu ist das Wohnmobil als Heimstatt visionären Geschäftssinns und Keimzelle wirtschaftlichen Erfolgs noch gnadenlos unterbewertet. Sollte das – zuletzt explosionsartige – Wachstum der Thelen Gruppe mit Hauptsitz in Essen allerdings weiter anhalten, könnte die temporäre Bleibe auf vier Rädern durchaus in die deutsche Wirtschaftsgeschichte eingehen.

Alles fängt Ende der 80er-Jahre mit dem Bau eines Warenumschlagzentrums für Quelle in der Nähe von Bamberg an,  als Amazon sozusagen noch „Versandhandel“ heißt. Wolfgang Thelen, ein Mann Anfang 30, macht sich vom Ruhrgebiet ins Frankenland auf. In jenem Wohnmobil, das ihm dann vor Ort wochenlang als Büro und Wohnung dienen wird. Ursprünglich kommt Thelen aus der Speditionsbranche. Das Bau- und Immobiliengeschäft aber reizt ihn deutlich mehr. Auf sein Bauchgefühl vertrauend und die Chancen um ihn herum erkennend, wird er zum Quereinsteiger – und der Quelle-Bau zum Grundstein einer Unternehmensgruppe, die heute mehr als 60 operativ tätige Gesellschaften unter einem Dach vereint.

Vielseitig sind die Geschäftsfelder: angefangen bei der Projektierung der Immobilien über die Bauausführung mit eigenen Handwerksbetrieben bis hin zu Lösungen für digitale Infrastrukturen und Mobilität. Thelen steht für insgesamt mehr als 15 Millionen Quadratmeter Fläche, die zum Wohnen und Arbeiten, für Logistik, Produktion und Verwaltung genutzt werden oder werden sollen. Aktuell drehen sich auf fünf Baustellen im Land die Kräne, etwa dieselbe Anzahl ist in Vorbereitung. Die Zahl der Mitarbeiter ist von einigen Dutzend auf derzeit 5.800 gestiegen – innerhalb von fünf Jahren, wohlgemerkt. Diverse Zukäufe und Unternehmensbeteiligungen machten diesen gewaltigen Sprung nach oben möglich. Der gruppenweite Umsatz lag 2020 bei circa 300 Millionen Euro.

Es ist wichtig, diesen Rahmen zu kennen, um die Anforderungen an Christoph Thelen, die zweite Generation im Unternehmen, richtig einschätzen zu können. Zu seinem 18. Geburtstag – „Punkt Mitternacht“, wie er sagt – wird er bereits geschäftsführender Gesellschafter neben seinem 40 Jahre älteren Vater. Eine enorme Verantwortung für einen Menschen, der mit dem Studium begonnen hat. Doch der junge Essener, der die sprichwörtliche Bodenständigkeit seiner Heimatregion glaubhaft verkörpert, weiß: „Respekt wird nicht vererbt, den muss man sich hart erarbeiten.“ Auch wenn er, wie einst Wolfgang Thelen, noch kein Unternehmen aus dem Boden gestampft hat, betrachtet er sich nicht als Nachfolger, der sich bequem ins gemachte Nest setzt. Im Gegenteil: „Aus den eigenen Reihen zu kommen kann die härteste aller Schulen sein“, sagt er. Dann stehe man unter besonderer Beobachtung.

Der inzwischen 24-Jährige ist mit dem Mörtelgeruch in der Nase aufgewachsen: „Die Baustellen, die ich während der Schulferien besucht habe, kann ich nicht mehr zählen.“ Um das theoretische Rüstzeug zu bekommen und zugleich so praxisnah wie möglich zu lernen, geht er zum Studium nach München. Nach dem BWL-Bachelor an der LMU schließt sich der Studiengang M.Sc. Real Estate Management an der privaten International School of Management (ISM) an. „Die Angebote in diesem Bereich sind in Deutschland sehr überschaubar“, erklärt er seine Wahl. „Und an der ISM habe ich exakt den Mix aus Theorie und Praxis gefunden, den ich wollte.“ Das spiegelt sich auch in seinem Alltag wider. Unter der Woche ist er vor allem Student an der Isar. Am verlängerten Wochenende kümmert er sich als Unternehmer an der Ruhr um die neuesten Firmenprojekte. Seine Abschlussarbeit schreibt er 2019 über die „umsatzsteuerliche Organschaft“. Dabei geht es um die Problematik nicht abzugsfähiger Vorsteuern bei umsatzsteuerfreien Ausgangsumsätzen, etwa Wohnungsbau. „Meine Studien an der ISM haben mir unmittelbar für mein Berufsleben geholfen“, lautet sein Fazit.

Vater und Sohn werden von einem vielköpfigen Management unterstützt. „Die ganze Last kann nicht auf zwei oder vier Schultern liegen. Das wäre verantwortungslos“, sagt Christoph Thelen. Insbesondere mit Blick auf die anstehenden Mammutaufgaben. Mit dem Erwerb der ThyssenKrupp-Liegenschaften – gemeint sind „alle nicht betriebsnotwendigen“ Immobilien und Grundstücke des Konzerns – sorgte die Thelen Gruppe vor fünf Jahren für Aufsehen. Es geht um mehr als 1.000 Hektar im Ruhrgebiet, die nun entwickelt werden sollen. Unter dem Namen „ESSEN 51.“ soll im nördlichen „Krupp-Gürtel“ der Metropole ein 520.000 Quadratmeter großer neuer Stadtteil entstehen. Ein paar A40-Kilometer weiter, in Dortmund, ist Ähnliches mit dem Projekt „Smart Rhino“ auf der Brachfläche der ehemaligen Hoesch Spundwand und Profil GmbH geplant.

Projekt Nummer eins, das Warenumschlagzentrum bei Bamberg, ist übrigens nach wie vor im Portfolio der Thelen Gruppe.

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