Als sein Vater plötzlich starb, übernahm Constantin Buschmann das Steuer bei Brabus in Bottrop. Seitdem hat er viele Veränderungen bei der Luxuswagen-Schmiede auf den Weg gebracht, vor allem in Sachen Digitalisierung.

Text: Daniel Boss; Fotos: Jochen Rolfes

Constantin Buschmann trägt schwarzen Pullover und dunkelblaue Sneaker zum Interview. Für seinen Vater Bodo wäre das nie in Frage gekommen. Er bevorzugte Anzug bei öffentlichen Auftritten. Wurden Fotos gemacht, durfte keinesfalls die Krawatte fehlen. Doch es sind nicht nur die modischen Unterschiede in der Chefetage, die den Wandel bei der Brabus GmbH verdeutlichen. Auf Initiative des Sohnes hat die Digitalisierung rasanten Einzug in das Bottroper Unternehmen gehalten, das als weltweit größter unabhängiger Automobilveredler gilt. Kunden können sich ihren Wunschwagen nun mittels 3D-Konfigurator zusammenstellen. Videokonferenzen ermöglichen dem Brabus-Team den problemlosen Austausch über Kontinente hinweg. Prototypen für Tuningteile entstehen in CAD und Virtual Reality. Rechnungen werden digital freigegeben. Sein Vater, Kaufmann der alten Schule, habe noch auf Unterschriften mit blauem Kugelschreiber bestanden – „wegen der Dokumentenechtheit“, erzählt Constantin Buschmann. In analoger Hinsicht wird unter der Regie des jungen CEO ebenfalls modernisiert. So steht demnächst die Umgestaltung des Showrooms auf dem Werksgelände an.

Die zweite Generation gibt also Gas. Und, um im Bild der Branche zu bleiben, sie hat „Zukunft“ ins Navigationssystem eingetippt. Nur zweieinhalb Jahre nach dem plötzlichen Wechsel an der Unternehmensspitze mit tragischem Hintergrund hat der Nachfolger bereits bewiesen, dass Stillstand nicht zu seiner Unternehmensphilosophie gehört. „Wir müssen professioneller, standardisierter und vor allem schneller werden“, lautet seine Botschaft. Mit Brabus sei auch weiterhin zu rechnen. Damit hat Constantin Buschmann schon zu Beginn seiner  Geschäftsführerlaufbahn eine der größten Hürden gemeistert: Er hat Ruhe in ein Unternehmen gebracht, das sich in heller Aufregung befand und um seinen Gründer, die Galionsfigur der Marke Brabus, trauerte.

Tradition und Fortschritt: Christian Buschmann vereint beide Themen zu einer neuen Firmenphilosophie.

Rückblick: An einem Apriltag 2018, es ist der Samstag vor Ostern, nimmt das Leben von Constantin Buschmann eine dramatische Wende. Sein Vater Bodo Buschmann, eine der bekanntesten und markantesten Unternehmerpersönlichkeiten des Ruhrgebiets, erleidet in seinem Haus in Bottrop einen Schlaganfall. Aufgrund der Schwere der Erkrankung steht rasch fest, dass der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter der Luxuswagen-Schmiede nie wieder an die Brabus-Allee zurückkehren wird. Wenige Wochen später erlischt auch die Hoffnung auf eine Besserung seines Zustands. Am 26. April stirbt Bodo Buschmann im Alter von 63 Jahren. Sohn Constantin, gerade einmal halb so alt, hält nun das Steuer in den Händen.

Damit trägt er die volle Verantwortung für rund 400 Mitarbeiter, die in den fünf Brabus-Werken in Bottrop sowie in der Verwaltung arbeiten. Hinzu kommen Niederlassungen in China, Dubai und USA. Flagship-Stores befinden sich an der Düsseldorfer Kö sowie an den besten Adressen in London, Moskau, Peking und Shanghai. Im vergangenen Jahr setzte die GmbH rund 190 Millionen Euro um – eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr. Innovationen spielen seit jeher eine wichtige Rolle. Bereits im Jahr 2011 rollte ein erster E-Brabus, ein Concept Car, aus dem Hallentor. „Das hat damals allerdings kaum jemanden interessiert“, so Constantin Buschmann. Heute bekommen alternative Antriebe eine andere Aufmerksamkeit.

Brabus hat sich mittlerweile auch in der Boots-Veredlung einen Namen gemacht, doch nach wie vor steht der Mittelständler vor allem für seine extravaganten Fahrzeuge auf Basis von Mercedes-Modellen. Kaufpreise von einigen hunderttausend Euro sind normal, gelegentlich liegt die Summe sogar jenseits der Millionenmarke. Die heutige Kundschaft ist sehr heterogen, viele Brabus-Klischees treffen nicht zu. Gleichwohl ist es sicher nicht völlig falsch, in dieser Klientel einen vergleichsweise hohen Anteil an Alpha-Tieren zu vermuten. Bodo Buschmann war ein Mann, der mit ihnen auf Augenhöhe kommunizieren konnte.

Und der Sohn? Er tritt zwar sicht- und hörbar anders auf, scheint sich aber schon viele Sympathien und vor allem Respekt erarbeitet zu haben. Dabei half ihm natürlich der Umstand, dass er nicht bei Null anfangen musste. Der Diplom-Betriebswirt kam gleich nach dem Studium zu Brabus, startete als Bereichsleiter. In den letzten beiden Jahren vor Bodo Buschmanns Tod nahmen Vater und Sohn alle wichtigen Termine bewusst gemeinsam wahr. Zu Recht wurde Buschmann junior von Belegschaft, Lieferanten, Kunden und Öffentlichkeit als designierter Nachfolger angesehen. Allen war klar, dass der Chefposten irgendwann an die zweite Generation gehen würde. In Theorie und Praxis hatte sich der Sohn das nötige Rüstzeug erworben. Doch nichts und niemand hätte ihn auf jene schweren Tage im April 2018 vorbereitet können, erzählt der heutige geschäftsführende Gesellschafter. Das Wasser, in das er habe springen müssen, sei eiskalt gewesen.

Constantin Buschmann hält seit 2018 bei Brabus das Steuer in den Händen

In diesen schweren Stunden fuhr Constantin Buschmann sozusagen auf Autopilot. Was getan werde musste, tat er. Gott sei Dank sei er „von der Persönlichkeit her ein Funktionierer“. Außerdem konnte er auf ein internes und externes Team zurückgreifen, das voll hinter ihm stand, ein Krisenstab aus Wirtschaftsprüfern und Anwälten und natürlich der Brabus-Führungsmannschaft. Die komplette Belegschaft, viele von ihnen kannte Constantin Buschmann schon als Kind, habe ihm Rückendeckung vermittelt. „Mein Eindruck war, dass – bei aller Trauer und Bestürzung – eine gewisse Erleichterung darüber herrschte, dass es jemanden gab, der die Zügel in die Hand nahm und Entscheidungen traf.“

Innerhalb der Familie bestand durch den Tod kein Konfliktpotenzial. Das Firmenerbe ging an den Sohn und die beiden Töchter, wobei der neue Geschäftsführer Mehrheitseigner wurde. Das war seit längerem so vorgesehen und wurde von allen Seiten akzeptiert. „Der Tod meines Vaters hat keine Zentrifugalkraft freigesetzt. Wir wurden vielmehr als Unternehmen und als Familie zusammengeschweißt.“ Eine Nachfolgeberatung in klassischem Sinn war nicht erforderlich. Zumal sich Constatin Buschmann während seines Studiums an der Universität Witten/Herdecke reichlich Kompetenzen in diesem Bereich angeeignet hatte. „Auch die psychologischen Aspekte einer Nachfolge kamen dabei nicht zu kurz.“ An der renommierten Privat-Uni werde man „nicht mit Fachwissen vollgestopft“. Sie sei nichts für „Formelspucker“, sondern ein guter Ort für Querdenker und Generalisten – genau so sieht sich auch der Brabus-Chef.

Mitdenken, Kritik äußern – dazu animiert Constantin Buschmann seine Crew. Und schafft so Teamgeist und sich selbst trotz 24/7-Posten eine gewisse Form der Freiheit. „Ich habe nicht den Anspruch, überall mitzureden. Am liebsten bin ich an an vielen Entscheidungen gar nicht beteiligt. Das ist ein großer Unterschied zu meinem Vater.“ Seine Autorität sei eine ganz andere als die des Vorgängers. „Er hatte Autorität, weil er Bodo Buschmann war.“ Das Verhältnis zwischen machtvollem Vater und aufstrebendem Sohn bietet reichlich Stoff, aus dem Tragödien gemacht werden. Constantin Buschmann aber denkt in diesem Zusammenhang lieber an eine Karikatur aus seiner Zeit in Witten. Noch immer bringt in diese Zeichnung, die im Rahmen einer Vorlesung gezeigt wurde, zum Lächeln. Dargestellt ist ein Seniorchef, der den Junior anblafft: „Ich will, dass aus dir eine unabhängige Führungspersönlichkeit wird.“ Zum Zeichen des Gehorsams salutiert der Sohn vor seinem Vater und gibt ein devotes „Jawohl“ zurück.

Parallelen zu den Buschmanns gibt es in dieser Zeichnung nicht. „In vielen Persönlichkeitszügen bin ich meinem Vater ähnlich, doch es bestehen auch große Unterschiede – da konnte es natürlich auch mal knallen“, gibt der Sohn offen zu. Das ist seiner festen Überzeugung nach nicht nur völlig normal, sondern auch zwingend notwendig. Wenn er im Rahmen seiner Verbandstätigkeit vor anderen Familienunternehmerinnen und -unternehmern spricht, baut er meist das folgende Credo ein: „Wenn es Nachfolger gibt, mit denen Ihr keinen Streit habt wegen moderner Ideen – schickt sie in die Wüste.“ Firmenlenker in spe müssten anschieben, sonst seien sie für den Job nicht geeignet. „Und wenn es mal eine blutige Nase kostet, dann gehört das mit dazu.“ Die nächste Generation müsse mit Innovationen kommen und anecken. So war es auch bei Brabus, Stichwort Digitalisierung. Der Gründer vertrat den Standpunkt, dass durch eine verstärkte Investition in diesem Bereich kein einziges Auto mehr als sonst verkauft würde. „Ich war natürlich ganz anderer Meinung“, sagt Constantin Buschmann.

40 Jahre an der Spitze – erst jetzt kann Constantin Buschmann erahnen, was das bedeutet. „Der größte Unterschied zu meinem früheren Leben ist der Grad der Verantwortung. Die Firma begleitet mich immer. Ob beim Frühstück oder sonntags auf der Couch – oder in so manchen schlaflosen Nächten.“

In einem Punkt aber waren und sind Vater und Sohn gleich: ihrem uneingeschränkten Bekenntnis zum Ruhrgebiet. „Ich bin seit 35 Jahren mit der Region verbunden, wurde in Bottrop geboren“, betont Constantin Buschmann. Derzeit baut er gemeinsam mit seiner Frau das Haus des Vaters um, nur wenige Fahrminuten vom Betrieb entfernt. Nie käme es ihm in den Sinn, ins nahe Düsseldorf zu ziehen – „so schön es dort auch ist“, sagt der Mann, der natürlich schon die halbe Welt gesehen hat, und blickt auf die recht triste Kirchhellener Straße unter seinem Bürofenster. Gegenüber hatte sein Großvater, nach dem Krieg zunächst als Kohlenhändler per Pferdewagen unterwegs, einen Gebrauchtwagenhandel aufgezogen. Der Vater fing hier als Verkäufer an und gründete 1977 mit einem Studienkollegen Brabus.

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