Text: Emrich Welsing; Fotos: Panoptikum

Durch Werkspionage wurde das Hamburger Panoptikum zum traditionsreichen Familienunternehmen.

Greta Thunberg und Barbara Schöneberger sind hier zuletzt eingezogen. Dafür musste ein älterer Schlagerstar leider ausziehen – aus Gründen der Diskretion soll kein Name genannt werden. Aber … kein Grund für Schlagzeilen in der Boulevardpresse. Die durchweg prominenten Bewohner dieses Hauses pflegen ihre Eitelkeiten in aller Stille. Denn wir sind hier im Hamburger Panoptikum unweit der Reeperbahn auf St. Pauli. Rund 130 der bekanntesten Persönlichkeiten der Welt stehen dort als Wachsfiguren friedlich nebeneinander und locken Jahr für Jahr das Publikum an. Politiker, Sportler, Unterhaltungskünstler oder historische Prominenz, sie alle sind Projektionsfläche für das, was die Menschen in ihnen sehen wollen. „Für Selfies sind unsere beliebtesten Figuren drei Damen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Queen Elizabeth II. mit ihrem royalen Charme, Noch-Kanzlerin Angela Merkel in ihrer professionellen Nüchternheit und die Hamburger Glamour-Queen Olivia Jones mit ihrem glitzernden Kostüm“, antwortet Dr. Susanne Faerber so souverän, als müsste sie die Frage nach den beliebtesten Figuren täglich unzählige Male beantworten.

Das Hamburger Panoptikum ist Deutschlands ältestes Wachsfigurenkabinett und Dr. Susanne Faerber hat die Ehre, dieses Haus nun bereits in der fünften Generation leiten zu dürfen. „Ich bin schon im Alter von wenigen Tagen in der Babyschale hier gewesen und hatte später einen Kinderschreibtisch im Büro meiner Mutter, die die Familientradition mit großer Leidenschaft als erste Frau aufrechterhalten hat.“ Dr. Susanne Faerber fand schon immer alles spannend, was mit dem Panoptikum zu tun hatte, und durfte als Kind bei der Panoptikum-Kassiererin auf dem Schoß sitzen. In ihren frühesten Erinnerungen war sie magisch fasziniert von den glitzernden Steinen an den Gewändern von Königin Silvia oder Heinrich VIII.  

Und was fasziniert das Publikum heute an einem Haus wie ihrem? „Wir zeigen neben internationalen Prominenten auch die lokalen Stars wie Otto oder Udo Lindenberg und spannen mit unseren historischen Figuren einen Bogen über 1.000 Jahren Geschichte“, erzählt Dr. Faerber. „Nur hier haben Sie die Möglichkeit, diesen Prominenten einmal wirklich nahe zu kommen.“ Dieser Wunsch hat die Menschen auch schon im 19. Jahrhundert angelockt, als Ururgroßvater Friedrich Hermann Faerber das Panoptikum 1879 gründete. „In einer Zeit, als die Fotografie noch in den Anfängen steckte, waren Wachsfigurenkabinette für die Leute die einzige Möglichkeit, sich mal anzuschauen, wie ihr Kaiser wirklich aussieht.“ Daher gab es sie quasi in jeder Großstadt und sie hatten einen klaren Bildungsauftrag. Besonders beliebt waren neben Politikern schon damals die Figuren von Schauspielern oder Sportlern. Dr. Susanne Faerber: „Mein Ururgroßvater war eigentlich Tischler und Holzbildhauer, ist dann aber nach Berlin gereist und hat dort im Wachsfigurenkabinett Werkspionage betrieben, um die Kunst der Figurenherstellung zu lernen.“ Die berühmte Madame Tussauds war schon damals das große Vorbild. Die Technik der Herstellung von Wachsfiguren geht bis in das 17. Jahrhundert zurück, dabei hat sich aber bis heute nicht viel geändert.

In den 1920er-Jahren begann die Branche massiv zu schrumpfen. Mit der wachsenden Beliebtheit der Kinos verloren die Wachsfigurenkabinette einen Großteil ihres Publikums. „Unser Hamburger Panoptikum war das einzige Kabinett in Deutschland, dass diese schwierige Zeit als Familienunternehmen überlebt hat“, sagt Dr. Faerber in Anerkennung der Leistung ihres Urgroßvaters Hermann Faerber. Das liege wohl daran, dass Familienunternehmen häufig zäher sind und man selbst den Gürtel enger schnallt, um das Unternehmen zu retten. „Und das haben meine Vorfahren damals auch gemacht, um die Krisenzeiten mit wenigen Besuchern zu überstehen.“ Mit der weitgehenden Zerstörung Hamburgs im Zweiten Weltkrieg ging auch ein Großteil der Exponate im Bombenhagel verloren. Nur 18 Figuren konnten in den Kellern von Privathäusern und in der Krypta der Hauptkirche St. Michaelis in Sicherheit gebracht werden, unter ihnen die Kaiserfigur von Friedrich dem Großen, die heute mit mehr als 140 Jahren die älteste Wachsfigur im Panoptikum ist.

Dank der langjährigen Leidenschaft von Großvater Arthur und Mutter Beate Faerber kann das Panoptikum in Hamburg auch weiterhin seinem Bildungsauftrag als anerkannter außerschulischer Lernorte und als staatlich anerkanntes Museum nachkommen, den Dr. Susanne Faerber im traditionellen Bewusstsein sehr ernst nimmt. „Das heißt also, wir aktualisieren unsere Ausstellung ständig, was pro Figur jedes Mal rund 50.000 Euro kostet.“ Außerdem entwickelt Dr. Faerber mit ihrem Team pädagogische Konzepte und investiert in die moderne Technik, um per Audio-Guides oder AR- und VR-Anwendungen das Wissen um die Figuren im Panoptikum leichter transportieren zu können. Auch wenn es hier für die vielen Dauergäste schon recht eng geworden ist, „wir bleiben unserer Traditionsadresse am Spielbudenplatz auch künftig treu“, freut sie sich schon auf die nächsten Einzüge in ihr Haus.

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