Text Prof. Dr. Ulrich Lichtenthaler | Foto Bart van de Voort

Ein Innovationsstopp als Folge der Corona-Krise ist meist der falsche Weg. Viele inhabergeführte Unternehmen sollten sich lieber auf ihre Historie erfolgreicher Innovation zurückbesinnen. Neben Risiken gibt es aktuell auch große Chancen für zielgerichtete Innovationen trotz begrenzter Budgets.

„Bei uns sind alle Innovationsprojekte gestoppt – bis auf eines, das auf Einsparungen im Produktionsprozess abzielt“, erzählte mir neulich der Entwicklungsleiter eines großen Mittelständlers. Aufgrund der Corona-Krise haben viele Unternehmen ihre Innovationsbudgets gekürzt oder ganz eingefroren. Natürlich ist ein solcher Innovationsstopp nicht in allen Firmen und Branchen zu beobachten. Zum Beispiel laufen bei zahlreichen Nahrungsmittelherstellern die Innovationsaktivitäten weiter, weil die Firmen vergleichsweise wenig von der Krise betroffen sind. Aber auch hier werden die Ausgaben für Ideenmanagement, Entwicklung und Wachstumsprojekte jetzt oft deutlich stärker hinterfragt als bisher.

Den Rückzug in die Komfortzone vermeiden.

Die strategische Neuausrichtung und, wenn nötig, auch der komplette Abbruch von Innovationsprojekten mit geringen Erfolgsaussichten sind nicht nur nachvollziehbar, sondern stellen als Teil des Innovationsportfolio-Managements einen wichtigen Erfolgsfaktor dar. Ein vollständiger Stopp der Innovationstätigkeit ist meist jedoch der falsche Ansatz. Solange ein Unternehmen es sich noch irgendwie finanziell leisten kann, sollte weiter in neue Produkte, Prozesse, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle investiert werden. Ansonsten kommt eine Firma zwar vielleicht noch halbwegs gut durch die Krise, hat es im folgenden Aufschwung aber doppelt schwer gegen bessere Lösungen von Wettbewerbern. Ein reiner Rückzug in die Komfortzone des bestehenden Geschäfts mag somit kurzfristig vielversprechend erscheinen, wird jedoch schon mittelfristig zu einer echten Gefahr gerade für mittelständische Firmen, die oft mit spezialisierten Produkten und Dienstleistungen in Marktnischen erfolgreich sind. Die Kundenbeziehungen sind häufig über viele Jahre gewachsen, müssen aber doch immer wieder aufs Neue durch Qualität, guten Service und eben auch zukunftsfähige Produkte und Lösungen gerechtfertigt werden. Nicht nur für Wachstum, sondern auch für das bestehende Geschäft ist Innovation daher unerlässlich.

Das ‚Lebenswerk‘ Innovation weiterführen

Tatsächlich macht Innovation oft den entscheidenden Bestandteil des ‚Lebenswerks‘ erfolgreicher Unternehmer aus. Viele Familienunternehmen haben schon zahlreiche Krisen gemeistert und sich immer wieder neu erfunden auf Grundlage innovativer Entwicklungen. „Ich bin das Innovationsmanagement“, hat mir der Inhaber eines Mittelständlers einmal selbstbewusst gesagt. Auch wenn die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt und Innovation systematisch organisiert wird, ist sie oft Teil der DNA von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Auf diese Stärken sollten sich die Eigentümer und Führungskräfte gerade im Nachgang der Corona-Krise zurückbesinnen. Zahlreiche Studien belegen, dass diejenigen Firmen sich im Aufschwung nach einer Krise besonders gut entwickeln, die während des Abschwungs ihre Innovationstätigkeit beibehalten haben. Dies wird auch am Beispiel des Werkzeugmaschinenherstellers Trumpf deutlich. Zum Höhepunkt der Finanzkrise 2008/09 entschied sich die Eigentümerfamilie für zusätzliche Investitionen und eine Innovationsoffensive. Damit konnte die Krise vergleichsweise schnell überwunden und vor allem auch der Grundstein für kontinuierliches Wachstum in den Folgejahren gelegt werden. Schon im Geschäftsjahr 2010/11 lag der Umsatz von Trumpf wieder nahe am Vorkrisenniveau und ab 2011/12 folgten mehrere Rekordjahre nacheinander.

Von aktuellen Chancen profitieren

Innovation beschränkt sich nicht auf die Entwicklung neuer Produkte und Prozesse. Gerade im Kontext der digitalen Transformation und zunehmenden Nutzung von künstlicher Intelligenz sind neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle in vielen Branchen von entscheidender Bedeutung. Dadurch wird oft die bestehende Geschäftslogik infrage gestellt. Argumente wie „Das haben wir schon immer so gemacht“ dürfen aber keine Ausrede darstellen. Dabei zeigt unsere Zusammenarbeit mit Unternehmern, Start-ups und dem Mittelstand am Entrepreneurship Institut der ISM immer wieder, dass der anfängliche Aufwand überschaubar ist, weil schon ein einzige Workshop wichtige Innovationsimpulse liefern und für positive Aufbruchsstimmung sorgen kann.
Die Corona-Krise hat viele mittelständische Unternehmen schwer getroffen. Das unmittelbare Krisenmanagement ist mittlerweile oftmals auf den Weg gebracht, sodass neben den Bedrohungen auch wieder Chancen wahrgenommen werden sollten – auch wenn dies leichter gesagt als getan ist. Ein Innovationsstopp ist in aller Regel der falsche Weg. Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, sollten zumindest mit begrenztem Budget zielgerichtet und systematisch neue Chancen zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit adressiert werden. Innovation gehört also weiterhin oben auf die unternehmerische Agenda – nicht trotz, sondern gerade wegen der Corona-Krise!

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