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„Ich habe schon immer gerne Geld verdient“, die Geschichte hinter Wilke Stromann

Es waren die wilden 90er-Jahre, alle Welt wollte plötzlich ein Handy haben. Daraus hat Wilke Stroman, damals noch Gymnasiast, ein Geschäftsmodell entwickelt und Sparhandy gegründet. Nach 20 Jahren Erfolg hat er seine Anteile kürzlich verkauft. Vor dem Interview bietet der entspannte Kölner von der Nordsee uns das Du an.

Text Daniel Boss Fotos Jan Schmitz

LEBENSWERK: „Vom ostfriesischen Tankwart zum bundesweit erfolgreichen Start-up-Unternehmer“. So lautet die mediale Überschrift deiner Karriere. Ist das eher ein schön klingender Mythos oder nichts als die Wahrheit? 

Wilke Stroman: Es ist eine zugespitzte Schlagzeile aus dem Boulevard, die aber durchaus Wahres widerspiegelt. Ich habe schon immer gerne gearbeitet und Geld verdient. In der Grundschule habe ich Kastanien gesammelt, sie im Herbst eingepflanzt und die Setzlinge im Sommer an Touristen an der ostfriesischen Küste verkauft, wo ich aufgewachsen bin. Die Sache mit dem Tankwart hat folgenden Hintergrund: Unsere Nachbarn hatten eine Tankstelle, in der ich in den Ferien und an den Wochenenden Regale eingeräumt und Kühlschränke aufgefüllt habe. Später jobbte ich auch an der Kasse. 

LEBENSWERK: Heute macht das von dir gegründete Unternehmen Sparhandy mit einigen Hundert Mitarbeitern rund eine halbe Milliarde Euro Umsatz. Wie hast du den weiten Weg vom Kastanien-Verkauf bis dahin geschafft? 

Wilke Stroman: Es war jedenfalls nicht so eine rasante Entwicklung, wie man sie heute bei Start-ups beobachten kann. Seit etwa zehn Jahren herrscht da ja fast Lichtgeschwindigkeit, so mein Eindruck. Bei mir ging alles etwas langsamer. Aber es war ja auch eine völlig andere Zeit. Statt auf eBay verkaufte man auf dem Vorgänger Alando. Google war lediglich eine von vielen Suchmaschinen. Und das Wort Start-up gebrauchte in meinem Umfeld niemand. Ein großer Unterschied zu vielen Jungunternehmern heute besteht sicherlich auch darin, dass ich einen Verkauf meines Unternehmens nicht von Anfang an geplant hatte. 

LEBENSWERK: Dein Erfolg ist untrennbar mit Handy bzw. Smartphone verbunden. Wieso gerade dieses Produkt? 

Wilke Stroman: Da komme ich wieder auf die Tankstelle zu sprechen: Mein Chef fuhr zweimal am Tag mit dem Auto durch den Ort und schaute sich die Preise der Mitbewerber an. Wenn die Preise gesenkt wurden, fragte er bei seinem Mineralölkonzern nach, ob er mitziehen dürfte. Anschließend rief er uns, seine Mitarbeiter, an, damit wir die Leiter rausholten und die neuen Preise an die Anzeigetafel schraubten. Dafür brauchte er ein Handy. Als er ein neues Modell bekam, schenkte er mir das alte. Damit war ich an meiner Schule der „King“. Kein anderer Schüler – und auch kein Lehrer – besaß zu diesem Zeitpunkt ein Handy. Zunächst war es recht langweilig, da ich ja niemanden hatte, dem ich SMS schreiben konnte. Ich konnte nur allein „Snake“ spielen. Interessant wurde es, als das Handy Begehrlichkeiten weckte. Immer mehr Leute fragten mich, woher ich das Handy hätte und wo sie selbst ein möglichst günstiges bekommen könnten. 

LEBENSWERK: Wie hast du daraus ein Geschäftsmodell gemacht? 

Wilke Stroman: Zunächst habe ich den Mobilfunk-Laden in der Stadt und einen passenden Tarif empfohlen. Irgendwann nervte es mich und ich dachte: Ich kann doch damit Geld verdienen. Als Vertriebspartner eines Händlers fing ich analog mit Verträgen mit Durchschlagpapier auf dem Schulhof an. Meist mussten noch die Eltern unterschreiben. Als der Radius immer größer und die Anfragen, vor allem vor Weihnachten, immer zahlreicher wurden, ließ ich mir eine Internetseite basteln. Damit wurde das Geschäft digital. 

LEBENSWERK: Wärst du damals zur „Höhle der Löwen“ gegangen, wenn es das Format schon gegeben hätte? 

Wilke Stroman: Wahrscheinlich schon. Ich war immer sehr risikobereit. Alles, was der Idee und ihrer Bekanntheit gedient hat, habe ich gemacht. Da es die Sendung noch nicht gab, musste das Startkapital woanders herkommen. 

LEBENSWERK: Die Familie hat dir Geld geliehen … 

Wilke Stroman: Genau. Ich brauchte viel Kapital, um die Handys vorfinanzieren zu können. Bei den Banken hieß es, sie bräuchten einen 5-Jahres-Plan. Dabei hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal die Buchhaltung für den letzten Monat parat. So gab es natürlich keinen Kredit. Ein damaliger Mitarbeiter und ich haben bei unseren Eltern angeklopft. Im Rückblick erzählt man das so lustig, aber ich habe viele Nächte nicht geschlafen. Einmal habe ich sogar meinen Urlaub gecancelt, als ich schon am Flughafen war. Der Grund: Ich war nicht sicher, ob die Provisionszahlung rechtzeitig kommt.

LEBENSWERK: Diese Unternehmersorgen bist du inzwischen los. Seit einigen Monaten bist du Angestellter in deiner früheren Firma, nachdem du deine Anteile verkauft hast. Warum hast du diesen Schritt gemacht? 

Wilke Stroman: Es waren mehrere Schritte, verteilt auf mehrere Jahre. 2013 hat sich eine bekannte Unternehmerfamilie aus Düsseldorf überlegt, sich mit Minderheiten an Online-Firmen zu beteiligen. Auf diesem Wege kam sie auch zu mir und ich gab 30 Prozent der Anteile von Sparhandy ab. Der Verkaufserlös wurde weitestgehend wieder zur Kapitalerhöhung investiert. Zwei Jahre später ergab sich die Gelegenheit, einen Teilbereich des Düsseldorfer Unternehmens zu kaufen und zu integrieren. Dafür habe ich die Mehrheit an Sparhandy abgegeben. Das war der zweite Schritt. 2018 schließlich kam die Mobilezone Holding aus der Schweiz auf uns zu. Wir passten genau in ihr Portfolio und das gute Angebot wollten wir nicht ablehnen. Im Frühjahr 2019 haben die anderen Anteilseigner und ich 100 Prozent übertragen und dafür sowohl Aktien als auch Geld erhalten. Das war mein erster richtiger Exit. 

LEBENSWERK: Was antwortest du, wenn Menschen dich fragen: Bist du reich? 

Wilke Stroman: Das hat mich noch keiner gefragt. Das Wort reich ist in Deutschland nicht positiv besetzt. Hier gibt es den Drang zum Unterstatement, den ich auch verspüre. Deswegen druckse ich hier auch ein wenig herum. Auf das Unternehmen, das ich geschaffen habe, bin ich stolz. Aber nicht auf das, was sich finanziell daraus ergeben hat. 

LEBENSWERK: Mit 40 Jahren in den Ruhestand –kommt das für dich infrage? 

Wilke Stroman: Nein, auf keinen Fall. Es liegt nicht im Menschen, nichts zu tun. Die Frage „Was machst du denn jetzt“ höre ich häufig. Doch in meiner jetzigen Funktion habe ich genügend Aufgaben. Und ein neues eigenes Projekt gibt es noch nicht. Womit ich mich momentan durchaus schon beschäftige, sind mögliche Beteiligungen an Start-ups. Ansonsten fröne ich meinem großen Hobby, der Börse. 

 Zur Person:

Wilke Stroman (40) wurde in Emden geboren und wuchs im Norden auf. Nach dem Abitur machte er eine Bankausbildung bei der Sparkasse und wurde nach wenigen Monaten vom Schalter in die Wertpapier-Abteilung geholt. Nach der Ausbildung ging er für ein Jahr nach London. Es folgte ein BWL-Studium in Köln, das er nach zwei Semestern abbrach, um sich ganz der Praxis widmen zu können. Das von ihm gegründete Unternehmen Sparhandy wurde 2019 von der Schweizer Mobilezone Holding AG gekauft. Stroman bekleidet nun den Posten des Deutschland-Chefs. Der überzeugte Wahl-Kölner hat zwei Töchter.

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