Interne Nachfolge

„Undercover Boss“ und Dusch-Umfrage

Die dritte Generation des Haushaltswaren-Spezialisten WENKO geht mitunter ungewöhnliche Wege. Typisch für die Zeit ist dagegen die Abkehr der Brüder Köllner vom Top-down-Führungsstil. 

Text: Daniel Boss, Fotos: Jochen Rolfes

Die Tarnung ist perfekt – fast jedenfalls. Denn einen misstrauischen Mitarbeiter im Lager kann Niklas Köllner nicht täuschen. Der Mann, seit 25 Jahren im Unternehmen, erkennt seinen Chef trotz der blondierten Haare und falschen Zähnen à la Horst Schlämmer. Auch das ungewöhnliche Outfit – Holzfällerhemd statt Anzug und Krawatte – kann die Entdeckung nicht verhindern. Allerdings ist der Mitarbeiter mit den scharfen Augen kein Spielverderber. Er hält dicht, und das Projekt „Undercover Boss“ beim Haushaltswaren-Spezialisten WENKO-WENSELAAR aus Hilden bei Düsseldorf kann weitergehen. 

Für die RTL-Real-Life-Doku hat sich Niklas Köllner Ende des vergangenen Jahres auf geheime Erkundungstour durch sein eigenes Unternehmen begeben. Als angeblicher TV-Kandidat André Kullmann hatte er einige Herausforderungen zu meistern. Dabei verlangte der mehrtägige Undercover-Einsatz dem WENKO-Chef einiges ab. Richtig ins Schwitzen kam Niklas Köllner alias André Kullmann auf seiner Station im Lager. Erkenntnisse sammelte er bei seinem Merchandising-Einsatz in einem Baumarkt. Sein Resümee: „Ich habe eine Menge gelernt und mitgenommen, was wir bei WENKO noch besser machen können.“ Darunter sind auch scheinbare Kleinigkeiten. Zum Beispiel, dass der Parkplatz in den Wintermonaten für die Frühschicht zu dunkel ist. „Da konnten wir schnell für Abhilfe sorgen“, sagt der Unternehmer im Gespräch mit „Lebenswerk“.

Ausgestrahlt wurde die Folge gleich zweimal im vergangenen Halbjahr. „Und das sogar zur Primetime um 20.15 Uhr“, freut sich Niklas Köllner. Seinen Auftritt vor der Kamera – sicherlich nicht jedermanns Sache – begründet der Düsseldorfer auch mit Marketingaspekten. „Als Hidden Champion wollten wir auf diese Weise verstärkt Präsenz beim Endverbraucher zeigen.“ Offenbar mit einigem Erfolg: Während der Ausstrahlungen erhöhte sich die Nachfrage in den Online-Shops. „Und die Conversion Rate blieb tagelang über dem Durchschnitt.“

Auch wenn er kein Digital Native im engeren Sinne ist – mit diesem multimedialen Agieren präsentiert sich Niklas Köllner als Kind seiner Zeit. Seit 2013 leitet der 44-Jährige zusammen mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Philip das Familienunternehmen WENKO-WENSELAAR in dritter Generation. Ende der 1950er-Jahre starteten ihre Großeltern Wietze Wenselaar und seine Frau Maria Köllner (daher „WENKO“) mit der Herstellung und Vermarktung des „ersten metallisierten Bügelbrettbezuges Deutschlands“. Sohn Hanns-Joachim Köllner baute das Geschäft sukzessive aus. 

Heute gilt WENKO mit 470 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 150 Millionen Euro als einer der führenden Hersteller von Haushaltsartikeln in Europa. Bei Befestigungssystemen ohne bohren (etwa für Duschecken oder Seifenspender) sieht man sich sogar als Nummer eins. Mehr als 5.000 Artikel für die Bereiche Bad, Küche, Wäsche und Wohnen werden über Baumärkte, Möbelhäuser, den klassischen Versandhandel sowie online vertrieben. Mit Trendscouts, Erfindern und Designern bringt das Unternehmen jedes Jahr rund 500 Neuheiten auf den Markt. So wirbt man unter anderem mit einer Duschstange mit integrierter LED-Beleuchtung. Hintergrund ist eine repräsentative und deutschlandweite „Dusch-Umfrage“ im Auftrag der Hildener. Demnach verfügen mehr als zwei Drittel aller deutschen Badezimmer über keine eigene Lichtquelle über der Dusche. Dazu gaben 65,1 Prozent an, zu Tageszeiten zu duschen, in denen es vorwiegend dunkel ist. Was sich ein stückweit liest wie ein Loriot-Sketch, ist in den Augen der Brüder eine wertvolle Marktanalyse. Sie haben von ihrem Vater gelernt, so nah wie möglich am Kunden zu sein.

Hanns-Joachim Köllner gehört zwar noch offiziell der Geschäftsführung an, hat seinen Söhnen aber schon vor acht Jahren das operative Geschäft überlassen. Beide sind geschäftsführende Gesellschafter, die restlichen Anteile hält ihre Schwester. Die Brüder haben sich die Arbeit aufgeteilt: „Philip kümmert sich um den Distanzhandel und ich bin für das stationäre Geschäft zuständig“, erklärt Niklas Köllner. Eine Hauptregel der Geschwister: Wenn es Konfliktpotenzial gibt, wird es sachlich hinter verschlossenen Türen entschärft. „Wir haben beide unseren eigenen Kopf, aber persönliche Befindlichkeiten werden dem Wohl des Unternehmens untergeordnet.“ Ehe er mit seinem Bruder Streit anfange, gebe er in einer Sache lieber nach – „und mein Bruder hält es genauso“. Es bringe nichts, die Fronten zu verhärten. „Dadurch kann im schlimmsten Fall das Lebenswerk in Gefahr geraten.“ Durch familiäre Aktivitäten wie Tennis, Golf oder Rollhockey haben sie gelernt, eventuelle Rivalitäten sportlich zu sehen – und auszutragen. „Wir schätzen uns auch im Büro gegenseitig als Sparringspartner.“

Der Berufsweg des Duos scheint im Rückblick von Geburt an vorgezeichnet. Beide steigen nach Ausbildung und Studium sofort ins Unternehmen ein und durchlaufen mehrere Jahre lang alle Abteilungen. Eine Karriere-Wahl, die laut Niklas Köllner ohne väterlichen Druck getroffen wurde. „Wir haben uns freiwillig für WENKO entschieden.“ Er selbst habe schon in der siebten Klasse gewusst, wohin die Reise gehen soll: Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und Studium an der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel – als Vorbereitung auf die WENKO-Leitung. Seine Masterarbeit schreibt der „EBSler“ über die Auswirkungen familiärer Nachfolge auf die Unternehmenskultur anhand von Fallbeispielen. „Aus wissenschaftlicher Betrachtung sprach alles dagegen, sofort ins elterliche Unternehmen einzusteigen“, sagt er. „Wir haben es dennoch gewagt.“

Die theoretischen Befürchtungen haben sich bislang nicht bewahrheitet. Seit dem Eintritt der jungen Köllners in die Geschäftsführung hat sich der Umsatz nahezu verdreifacht. Ein Grund ist der Ehrgeiz der Brüder: „Wir sind schon sehr hungrig“, beschreibt es der Ältere. Um zu wachsen, wurde reichlich in die Strukturen investiert – in IT, Logistik und Personal. Allein in den letzten sechs Monaten gab es fast 60 Neuanstellungen. Das halbautomatische Hochregallager im niederrheinischen Hückelhoven hat eine Kapazität von 60.000 Palettenplätzen auf 40.000 Quadratmetern. „Oftmals sind wir mit hohen Summen in Vorleistungen gegangen und konnten später die Früchte ernten.“

Eine für die heutige Unternehmergeneration typische Neuausrichtung wurde im Management vollzogen: „Unser Vater und ein familienexterner Geschäftsführer waren in jede Entscheidungsfindung eingebunden. Das war an dieser Stelle schon sehr patriarchalisch organisiert.“ Die Brüder, beide verheiratete Familienväter, machen es anders. „Wir haben realisiert, dass die Mitarbeiter mehr Verantwortung bekommen müssen und mit ihr auch eigenverantwortlich umgehen können.“ Aus dem „Daily-Doing“ versucht sich die jetzige Geschäftsführung herauszuhalten. „Damit bleibt mehr Zeit sowie Platz im Kopf für andere Dinge.“

Ein großer Schritt war die Übernahme des reinen Versandhändlers Maximex in Nordhorn vor anderthalb Jahren. Die Idee: Auslagerung des gesamten Versandhandelsgeschäfts an die neue Tochter. „So können wir Produkte anbieten, mit denen WENKO nicht identifiziert wurde.“ Die Bandbreite reicht vom Epil-Stop bis zum Backofen-Reiniger. Bei der Produktauswahl betreiben Maximex-Geschäftsführer Philip Köllner und sein Team ganz bewusst „Cherry Picking“. Beim stationären Handel sei das nicht möglich, betont Niklas Köllner. „Da brauche ich ein komplettes Sortiment.“ Der Beginn der Pandemie, wenige Monate nach der Übernahme, bescherte Maximex einen Nachfrage-Boom. „Wir wurden mit Aufträgen überschüttet und konnten gar nicht genug Ware einkaufen.“ Dafür sank der WENKO-Absatz im stationären Bereich durch die Lockdowns. „Unterm Strich sind wir aber sehr gut durch die Krise gekommen.“

Sogar für einen geplanten „Fernsehabend“ mit der gesamten Belegschaft in einem gemieteten Großkino fand sich Ersatz: Dank Heimvideo-Pakete mit Chips und Bier konnten die Mitarbeiter zu Hause und coronakonform verfolgen, wie sich ihr Chef als „Undercover Boss“ so schlägt.

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