Zeitreisen der Leidenschaft

Text: Emrich Welsing Foto: Eberhard Thiesen

Für manch einen Sammler ist die Welt der Oldtimer ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, wo nur der beste Deal zählt. Für andere hat die Geldanlage in historischem Lack und Chrom aber auch viel mit schönen Kindheitsträumen zu tun.

Nun, wo die Tage wieder länger, die Sonnenstunden wieder zahlreicher werden und damit das Leben wieder mehr an der frischen Luft stattfindet, da sind sie besonders an den Wochenenden häufig auf den Straßen zu bewundern – Oldtimer. Oft chromblitzend, meist mit strahlend poliertem Lack und gern auch mit aufgeklapptem Verdeck ziehen sie die bewundernden Blicke auf sich, wobei es ja eigentlich die Besitzer der historischen Boliden sind, die den wohlwollenden Augenkontakt mit den Passanten am Straßenrand suchen. Da gibt es dann den Daumen nach oben, ein freundliches Winken oder fassungslose Bewunderung – ja wofür? Für die Schönheit des mühevoll instand gehaltenen Boliden oder für die finanzielle Potenz des vermutlichen Besitzers, der sich ein derart teures Hobby leisten kann?

In jedem Fall ist das Thema Oldtimer mit vielfältigen Emotionen verbunden. „Im Grunde genommen ist es eine intensive Leidenschaft“, sagt Eberhard Thiesen, Oldtimer-Händler aus Hamburg mit einer 45-jährigen Tradition und entsprechend fundierten Einblicken in die Szene, in der in Deutschland jährlich rund sechs Milliarden Euro umgesetzt werden. „Diese Leidenschaft teilt man mit anderen und man freut sich auf die Treffen mit Gleichgesinnten, anlässlich einer Rallye oder eines Clubtreffens. Da kann man sich dann gegenseitig darin bestätigen, dass man sich für ein Thema interessiert, das sehr viel Emotionen mit sich bringt“, sagt der weit gereiste Veteranen-Experte mit einem Augenzwinkern. Ein Hobby mit zahlreichen sozialen Kontakten, bei denen man auch sehr interessante Menschen kennenlernen kann.

Oder auch interessante Länder. Zu Beginn seiner Karriere war Eberhard Thiesen in den entlegensten Winkeln der Welt unterwegs, um nach seltenen Auto-Exponaten zu suchen, die dort von der reichen Oberschicht mal als Statussymbol gekauft worden, dann aber mangels Interesse in der Versenkung verschwunden waren. „Wir sind damals zu so manch abenteuerlicher Schatzsuche aufgebrochen und mit ansehnlicher Beute wieder nach Hause gekommen.“

Gefahr durch „geschminkte Leichen“

Die durchlebte Erfahrung des Experten verweist auf ein Phänomen, das leider auch heute noch in Teilen des Oldtimer-Marktes anzutreffen ist, denn neben den begeisterten Enthusiasten, die sich an der ästhetischen Schönheit, dem Design oder der besonderen Geschichte alter Fahrzeuge erfreuen können, gibt es immer auch diejenigen, für die historisches Blech allein eine gewinnbringende Geldanlage ist – Selbstdarsteller mit dem Drang, jederzeit die höchsten Preise zu zahlen, eben ganz ohne emotionalen Bezug zum jeweiligen Fahrzeug. Der Oldtimer-Experte spricht von der „pervertierten kommerziellen Seite“, die von einigen Auktionshäusern befeuert wird, allein um der Aufmerksamkeit für die spektakulären Erlöse willen.

„Der Aspekt der Geldanlage sollte in meinen Augen nicht im Vordergrund stehen, ist für viele Leute aber wichtiger als der eigene Bezug zum Modell oder der Geschichte des Autos“, macht Eberhard Thiesen deutlich und kennt Fälle, bei denen nach einem sensationellen Kauf die böse Überraschung in Form einer „geschminkten Leiche“ wartete. „Aus dem Traum wurde dann schnell ein Albtraum“, wenn sich die dürftigen oder irreführenden Beschreibungen im Auktionskatalog als fehlerhaft herausstellten und alsbald der Instandhaltungsaufwand den tatsächlichen Fahrzeugwert bei Weitem überstieg.

Dennoch gibt es auch in der jetzigen Zeit sehr gute Argumente für die Investition in Oldtimer. „Ich halte es aber nicht für sinnvoll, wahllos zu sammeln“, sagt Eberhard Thiesen. Wie bei allen sammlungswürdigen Sachwerten gibt es auch hier konjunkturelle Schwankungen, und genau aus diesem Grund raten seriöse Oldtimer-Experten dazu, sich mit einem persönlichen Konzept dem Thema zuzuwenden.

Bestimmte Marken oder Modelle können dabei eine Rolle spielen und natürlich ganz persönliche, geschichtliche Aspekte. „Wir haben es bei den Sammlern jetzt zunehmend mit einer Generation zu tun, die sich in ihrer Kindheit für die Autos der 80er- und 90er-Jahre begeistert hat. Sie ziehen jetzt nach und bekommen so einen Einstieg, um sich dann auch für historische Kleinserien von Lamborghini, Aston Martin et cetera zu interessieren.“ Wenn sich seine Kunden den Kindheitstraum heute kaufen und leisten können, der früher als Poster im Kinderzimmer hing, dann ist das eine Zeitreise der Leidenschaft, die auch Eberhard Thiesen mit emotionaler Demut erfüllt.

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