Die Chefin der größten deutschen Outplacement-Beratung profitiert von der Coronakrise. Je mehr Firmen ihre Mitarbeiter entlassen, desto besser floriert ihr Geschäft.
Düsseldorf Die alten Schränke sind geblieben. Die 15 massiven, antiquarischen Eichenholz-Schränke, die der Senior einst kaufte und so liebte. Sie stehen wie eine Reminiszenz an frühere Zeiten zwischen modernen Möbeln und zeitgenössischer Kunst. Sie geben der eigentlich so nüchternen Büroetage direkt gegenüber dem Düsseldorfer Schauspielhaus eine gewisse Historie und Tiefe.
Am Montag wird Eberhard von Rundstedt diese Kulisse noch einmal genießen. Zu seinem 80. Geburtstag erwartet ihn eine „Pflaumenkuchenschlacht“ und ein lautstarkes und vielstimmiges „Viel Glück und viel Segen“ seiner fast 400 Mitarbeiter, vorgetragen via Zoom. Jenseits dieses Ehrentags verirrt sich der Firmengründer aber kaum noch in die Firma.
Die Geschäfte führt seit fast zehn Jahren seine einzige Tochter: Sophia von Rundstedt. Sie hat die auf Outplacement spezialisierte Beratung in den vergangenen Jahren weiter etabliert und ausgebaut. Für das laufende Jahr erwartet sie, dass der Gesamtumsatz um 30 Prozent steigt, von 30 auf 40 Millionen Euro. Es ist das größte Wachstum in der 35-jährigen Unternehmensgeschichte – der Coronakrise sei Dank.
„In den Jahren 2016 bis 2018 lief unser Geschäft zäh. Der Arbeitsmarkt war zu gut. Das hat die ganze Outplacement-Branche zu spüren bekommen. Im Jahr 2019 hat sich das Geschäft dann aber schon positiver entwickelt. Wir merkten, dass sich die Konjunktur abkühlte und erste Konzerne und größere Mittelständler begannen, ihr Personal aus konjunkturellen und strukturellen Gründen abzubauen. Im Shutdown versank der große Teil der deutschen Wirtschaft dann in Schockstarre. Seit Juni verzeichnen wir eine sehr gute Nachfrage nach unseren Leistungen“, sagt Sophia von Rundstedt im Gespräch mit dem Handelsblatt und weiter: „Unsere Größe und Schlagkraft hat sonst keiner.“
Der selbstbewusste Auftritt der schlanken, mittelgroßen von Rundstedt kommt nicht von ungefähr. Ihre Beratung ist Marktführer bei den auf Outplacement spezialisierten Unternehmensberatern in Deutschland. An 27 Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiten ihre rund 390 Mitarbeiter. Sie helfen Firmen, neue Jobs für gekündigte Mitarbeiter zu finden. Die Zentrale liegt nach wie vor in Düsseldorf. Von Rundstedt bietet das gesamte Portfolio, also Einzeloutplacements, ungeförderte Gruppenoutplacements sowie geförderte Projekte wie Transfergesellschaften. Das Geschäft verläuft grundlegend antizyklisch.
Daimler, Kaufhof und Esprit gehören zu den Kunden
Die Coronakrise beschert von Rundstedt und den Mitbewerbern nach einigen schwierigen Jahren eine Art Sonderkonjunktur. Vor allem die Automobilindustrie und ihre Zulieferer sowie der Einzelhandel kündigten schon umfangreiche Restrukturierungsmaßnahmen an, die teilweise auch Massenentlassungen mit sich bringen. Der Automobilkonzern Daimler, der Einzelhändler Galeria Kaufhof Karstadt und die Modemarke Esprit setzen dabei etwa auf die Unterstützung von Rundstedts.
Doch das Outplacement ist ein sensibles Geschäft. Das bekam auch die eigentlich nur schwer aus der Ruhe zu bringende Sophia von Rundstedt erst wieder im April zu spüren. Ein von der Beratung erstellter Leitfaden für Führungskräfte beim Automobilkonzern Daimler für Entlassungsgespräche geriet in die Kritik. Die dort gegebenen Formulierungshilfen seien zu direkt, zu harsch, zu unpersönlich. Die Aufregung legte sich jedoch schnell wieder. „Das war eine kurze Eskalation aufgrund eines Arbeitsfehlers. Grundsätzlich ist es natürlich positiv zu bewerten, dass es Schulungsunterlagen für Führungskräfte gibt“, sagt Dominik Eble vom Gesamtbetriebsrat von Daimler.
Sophia von Rundstedt, die eine sehr direkte Art auszeichnet, weiß um die Tücken ihres Geschäfts. „Die vom Arbeitsplatzabbau betroffenen Menschen übertragen ihre Wut und ihren Frust zu Beginn häufig auch auf uns Berater. Das sind schwierige Momente. Wir müssen ihnen dann möglichst schnell und umfassend klarmachen, dass wir ihnen helfen wollen. Gelingt das, erfahren wir häufig sehr große Dankbarkeit. 92 Prozent unserer Klienten sind auch zwei Jahre nach der Beratung noch im neuen Job“, sagt von Rundstedt. „Wir arbeiten dabei Hand in Hand mit Betriebsräten, dem Management und auch den politischen Entscheidungsträgern.“
Die Grundlagen für die heutige Marktführerschaft – jeder fünfte Auftrag im Einzel- oder nicht geförderten Gruppenoutplacement landet bei von Rundstedt – legte Eberhard von Rundstedt. Der Jurist gründete die Beratung 1985. Er war einer der Pioniere des Outplacements in Deutschland.
Nachdem er 25 Jahre lang die Aufbauarbeit geleistet hatte, übernahm seine Tochter im Jahr 2011 die Geschäftsführung. Sie tut dies zunächst für kurze Zeit mit der langjährigen Vertrauten und Co-Geschäftsführerin Heike Cohausz. Heute steht Martin Mertes als Co-Geschäftsführer an ihrer Seite.
„Sophia von Rundstedt hat nicht versucht, die Fußstapfen ihres Vaters auszufüllen. Sie hat innovativ und neu gedacht und der Firma ihren eigenen Fingerabdruck gegeben. Von Rundstedt ist deshalb heute nicht nur von der Größe her der Marktführer, sondern auch von den Strukturen her und dem Grad der Digitalisierung“, sagt Heike Cohausz, die jahrelang intensiv mit Sophia und Eberhard von Rundstedt zusammenarbeitete und nun Partnerin der Outplacement-Beratung P4 Career ist.
Geglückter Generationswechsel
Der Weg von Sophia von Rundstedt an die Spitze der Beratung war nicht vorgezeichnet. Die Juristin strebte zunächst eine internationale Karriere als Rechtsanwältin an. „Es hat eine ganze Weile gedauert, bis mir klar wurde, dass ich lieber mit Menschen als mit Paragrafen arbeite“, sagt sie heute. Als sie dann ihren Vater fragt, ob sie mit ins Geschäft eintreten dürfte, rennt sie offene Türen ein. Er ist begeistert und stolz, schließlich ist sie ihm mit ihrer forschen Art sehr ähnlich. „Sie sind Seelenverwandte“, sagt einer, der beide sehr gut kennt. Sophia startet zunächst als Beraterin in der Frankfurter Niederlassung. Nach zwei Jahren übernimmt sie dort die Büroleitung, drei weitere Jahre später wird sie Mitglied der Geschäftsführung.
Beim Generationswechsel verlassen sich die von Rundstedts aber nicht ausschließlich auf die Emotionen und die eigene Expertise. Sie engagieren Kirsten Baus vom Institut für Familienstrategie, die den Prozess von Beginn an begleitet. Schließlich gibt es mit Konstantin und Friedrich noch zwei Söhne beziehungsweise Brüder. Doch beide überlassen ihrer älteren Schwester die Führung. Friedrich von Rundstedt ist Chefarzt der Urologie des Universitätsklinikums Wuppertal, und Constantin von Rundstedt leitet heute die Executive-Search-Gesellschaft von von Rundstedt. „Wir haben uns alle drei verwirklicht. Diese Arbeitsteilung passt und funktioniert“, sagt Constantin von Rundstedt.
Und das ist auch gut so. Die Branche der Trennungsspezialisten ist kleinteilig organisiert und hochkompetitiv. Den Branchenumsatz in Höhe von rund 90 Millionen Euro teilen sich nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) 60 spezialisierte Outplacementberatungen sowie weitere geschätzte 120 Beratungsfirmen, die Outplacement mit anderen Dienstleistungen wie Personalberatung anbieten.
Stark in den Markt drängen zudem internationale Beratungen wie Adecco mit der Outplacement-Tochter Lee Hecht Harrison, Randstad mit Risesmart sowie Man Power mit Right Management. „Es ist ein umkämpfter Markt“, sagt Claudia Michalski, geschäftsführende Gesellschafterin der Karriere- und Outplacement-Beratung OMC in Berlin, die 14 Mitarbeiter beschäftigt. „Die Coronakrise wirkt jedoch wie ein Verstärker für Veränderungen – auch für viele Führungskräfte selbst. Sie suchen von sich aus neue, sinnstiftende Herausforderungen und kommen auf uns zu.“
Alle Mitarbeiter werden am Gewinn beteiligt
Sophia von Rundstedt hat selbst einst einen solchen Wechsel im Alter von 30 Jahren gemacht – von der Anwaltskanzlei in die Beratung. Die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter liegt ihr deshalb sehr am Herzen. Seit einigen Jahren sind alle Mitarbeiter am Gewinn beteiligt. Individuelle Boni gibt es nicht mehr. Gesellschafter sind ausschließlich Familienmitglieder und langjährige Mitarbeiter. „Wir wollen, dass Menschen in ihrem Job bestmöglich ihre Stärken einbringen können, das gilt sowohl für die eigenen Mitarbeiter als auch für die Menschen, die wir vermitteln.“
Flexibles Arbeiten ist deshalb bei von Rundstedt nicht erst seit der Coronakrise möglich. „Mein Vater hat schon dieses Vertrauensarbeitsverhältnis zu unseren Mitarbeitern etabliert. Geht nicht, gibt es bei uns nicht!“, sagt die 48-jährige Mutter von zwei Kindern, die privat in Frankfurt lebt und dort auch im Verein Working Moms engagiert ist. An Vielfalt mangelt es deshalb nicht bei von Rundstedt. 70 Prozent der Mitarbeiter sind Frauen.
Die Coronakrise hat das Home- und Mobile Office jedoch auch bei von Rundstedts noch etablierter gemacht. Sophia von Rundstedt sucht deshalb wie so viele andere Firmen auch Untermieter für einen Teil der Büroflächen nahe dem Düsseldorfer Schauspielhaus. Die Schränke ihres Vaters sollen dafür aber nicht verrückt werden.
Quelle: Handlesblatt
Foto: v. Rundstedt & Partner GmbH