Der Serienunternehmer Dr. Stefan Sattler plädiert für häufigen frischen Wind an der Unternehmensspitze.
Er selbst hat damit beste Erfahrungen gemacht.
Text: Daniel Boss Foto: Valérie Kloubert
Das Interview
LEBENSWERK: Herr Dr. Sattler, wie gut können Sie loslassen?
Dr. Stefan Sattler: Wenn Sie meine unternehmerischen Tätigkeiten meinen: Da kann ich ziemlich gut loslassen, glaube ich. Die letzte größere Aktivität in diesem Bereich endete 2015. Danach habe ich noch mal kurz einem Bekannten als geschäftsführender Gesellschafter ausgeholfen. Unterm Strich bin ich aber seit rund zwei Jahren Privatier.
LEBENSWERK: Ein Kettenraucher steckt sich an der halb abgebrannten Zigarette gleich die nächste an. So jemand sind Sie – übertragen auf den Kauf und Verkauf von Unternehmen – also nicht?
Dr. Stefan Sattler: Nein, ich gehöre zum Glück nicht zu jenen Menschen, deren Lebenselixier einzig und allein aus der Anerkennung besteht, die sie durch die Leitung eines Unternehmens erhalten. Hinzu kommt, dass überstürztes Handeln immer, auch und insbesondere im unternehmerischen Bereich, ein hohes Gefahrenpotenzial birgt. Ich vergleiche es mit dem Aktienmarkt: Wenn ich eine Aktie mit dem Faktor 2 verkaufen kann, ist das schön. Wenn ich mich daraufhin für einen Börsen-Profi halte und sofort die nächste Aktie kaufe, ist das Risiko, alles gleich wieder zu verlieren, enorm hoch. So ist es für einen Serienunternehmer.
LEBENSWERK: Sie raten stattdessen zur ausgewogenen Analyse, die eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt?
Dr. Stefan Sattler: Nach einem Verkauf macht es Sinn, das Vergangene zunächst Revue passieren zu lassen und den nächsten Schritt sorgfältig zu planen. Ich gebe allerdings zu, dass auch ich inzwischen nicht mehr nur rein nach Fakten gehe, sondern auf mein Bauchgefühl höre, wenn ich mich für ein neues Unternehmen interessiere.
LEBENSWERK: Was genau meinen Sie mit Bauchgefühl?
Dr. Stefan Sattler: Mir ist es sehr wichtig, dass die Chemie zwischen den Noch-Eigentümern und mir stimmt. Zudem merke schnell, ob mich das Geschäftsfeld des Unternehmens anspricht oder nicht. Ich bin kein Sanierer. Mich reizen Firmen, die schon gut dastehen, aber noch mehr Potenzial haben.
LEBENSWERK: Gleichwohl ist im Internet leicht zu finden, dass Sie schon an knapp einem Dutzend Unternehmen beteiligt waren. Schreckt das nicht Verkäufer und Belegschaft ab?
Dr. Stefan Sattler: Es stimmt, mein Lebenslauf klingt diesbezüglich gefährlich. Dazu möchte ich anmerken, dass meine letzte große Aktivität, bei der Herchenbach Industrie-Zelte GmbH, immerhin acht Jahre gedauert hat. Es wären sogar noch mehr geworden, wenn nicht der Zufall exzellent passende Käufer ins Spiel gebracht hätte. Und noch ein Punkt zur Angst der Belegschaft: Es gibt auch für Unternehmen, die seit Jahrzehnten solide Umsätze machen, keinerlei Garantie, dass das in den nächsten Jahren so weitergeht. Wenn beispielsweise Wettbewerber aus China demnächst „mein“ Produkt zur Hälfte des Preises, aber in derselben hohen Qualität auf den Markt bringen, habe ich ein riesiges Problem. Den Herausforderungen von Globalisierung und Digitalisierung kann ich mich nur mit Innovationen und Kreativität stellen. Und genau das bringen neue Leute in ein Unternehmen.
LEBENSWERK: Moment! Sie plädieren also für einen kontinuierlichen Wechsel an der Spitze alle acht bis zehn Jahre?
Dr. Stefan Satter: Das wäre für viele Unternehmen sicherlich besser. Beim erwähnten Zelt-Spezialisten konnten wir den Umsatz binnen weniger Jahre vervierfachen. Und unsere Nachfolger haben noch eine ordentliche Schippe draufgelegt. Wir haben es mit zehn Mitarbeitern übernommen und mit 30 abgegeben. Inzwischen sind es 100.
LEBENSWERK: Für Familienunternehmen, die es bleiben wollen, ist Ihr Vorschlag aber kaum realisierbar.
Dr. Stefan Sattler: Es gibt natürlich Unternehmen, in denen auf eine innovative Unternehmergeneration die nächste folgt. Das ist aber nach meiner Einschätzung eher eine Ausnahme. Doch es muss ja nicht zwingend in der Familie bleiben. Ich habe festgestellt, dass sich die zweifellos gute Unternehmenskultur eines Familienunternehmens auch dann erhalten lässt, wenn die Verantwortlichen nicht miteinander verwandt sind.
LEBENSWERK: Das dürften „echte“ Familienunternehmerinnen und -unternehmer vermutlich für eine sehr steile These halten.
Dr. Stefan Sattler: Das ist mir klar, aber ich habe nun einmal diese positive Erfahrung gemacht. Wenn beide Seiten es wollen und darauf achten, gelingt es. Wenn bei einem M&A-Prozess nur das Höchstgebot zählt, bleibt die menschliche Komponente auf der Strecke. Doch die genau spielt, zumindest für mich, ebenfalls eine große Rolle. Ich möchte auch drei Jahre nach einem Verkauf noch guten Gewissens an dem Unternehmen vorbeifahren und mich an seinem fortgesetzten Erfolg freuen können.
LEBENSWERK: Hatten Sie schon mal Probleme mit einem Firmeninhaber, der nicht so gut loslassen konnte wie Sie?
Dr. Stefan Sattler: Große Probleme nicht, nein. Ich führe allerdings auch immer 100-Prozent-Transaktionen durch, dadurch fällt eine Mitsprache automatisch weg. Natürlich bin ich immer an Beratungsleistungen der erfahrenen Vorgänger in den ersten Monaten interessiert. Das sollte man aber auch nicht überstrapazieren, denn sonst kann die Stimmung zwischen der alten Geschäftsleitung und den neuen am Ruder in der Tat schnell angespannt werden.
LEBENSWERK: Wie lange wollen Sie noch Privatier bleiben?
Dr. Stefan Sattler: Ich bin guter Dinge, dass sich dieser Zustand noch im Laufe dieses Jahres ändern wird. Mehr möchte ich nicht verraten.
LEBENSWERK: Sie standen sechsmal an der Spitze eines Unternehmens. Sind Sie auch sechsmal umgezogen?
Dr. Stefan Sattler: Nicht ein einziges Mal. Mir war es sehr wichtig, dass sich das jeweilige Unternehmen im Rheinland befand. Sonst hätte mir meine Familie auch die Gelbe Karte gezeigt.
LEBENSWERK: Sie haben einen erwachsenen Sohn. Planen Sie eine Nachfolge für ihn?
Dr. Stefan Sattler: Definitiv nein. Unser Sohn macht gerade eine Ausbildung zum Physiotherapeuten. Er braucht keine Firma von uns, um im Leben erfolgreich zu sein.
Zur Person:
Dr. Stefan Sattler, Jahrgang 1965, ist promovierter Physiker. Seit 1997 ist er selbstständig tätig. Er war bislang an elf Unternehmen beteiligt, in sechs Fällen saß er mit in der Geschäftsführung. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Andreas Boden sucht der Bornheimer weiter nach interessanten Unternehmen. Führen möchte er sie nie allein, sondern mindestens im Duo.