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Lebenswerk – Das Nachfolgemagazin des DIfU

Anfang November 2020 erscheint die erste Ausgabe unseres Nachfolgemagazins „Lebenswerk“. Dann finden Sie hier zahlreiche interessante Artikel rund um das Thema Unternehmensnachfolge.

Bis dahin finden Sie in diesem Blog lediglich Einträge unter „Presseschau“ und „Intern„.

Das Magazin ist in die Bereiche „Beachtenswert“, „Im Portrait“, „Wissenswert“, „Empfehlenswert“ und „Lebenswert“ gegliedert.

Bei Interesse finden Sie hier die Mediadaten.


Nachfolge bei Lamborghini: Von null auf hundert

Foto: Tonino Lamborghini S.p.A.

Herr Lamborghini, wann haben Sie entschieden, ins Familienunternehmen einzusteigen?

Schon als Kind wollte ich in der Firma arbeiten, die mein Großvater im Jahr 1948 gegründet hatte. Ich wusste, dass meine Zukunft in dieser Firma liegen würde. 

Sie waren ein sehr erfolgreicher Motorradrennfahrer, aber nicht wirklich für die Führung eines Unternehmens qualifiziert.

Die natürliche Altersgrenze im Motorradsport liegt bei 23, 24 Jahren. Nachdem ich meine Karriere als Sportler aufgegeben hatte, habe ich begonnen, an der Universität in Bologna zu studieren. Doch ich habe hingeworfen. Ein Grund war, dass ich ein paar Jahre gemeinsam mit meinem Vater arbeiten wollte, um von ihm zu lernen. Er ist 72 Jahre alt und ich erst 29. Man weiß nie, was in dem Alter passiert, und ich sagte meinem Vater, dass wir uns lieber beeilen sollten, sonst bliebe vielleicht nicht genug Zeit, um mir alles über die Firma beizubringen. Er nahm mich zu allen Meetings mit. Ich beobachtete und hörte zu.

Learning by doing?

Zum Teil. Ich führe meine eigenen Studien durch, im Feld sozusagen, also in meiner täglichen Arbeit, aber auch zu Hause und in Seminaren zu Kommunikation, Marketing, Betriebswirtschaft, Finanzen und Recht. Ich bin kein Experte in diesen Bereichen, aber ich habe mittlerweile ein breit angelegtes Verständnis für diese Themen. Natürlich weiß ich, dass ich hier kontinuierlich vorankommen und meine Fähigkeiten ausbauen muss. Das ist Teil meines Verständnisses von Führung.

Wie haben Sie von Ihrer Karriere als Profisportler profitiert?

Motorradrennen erfordern drei Erfolgsfaktoren, die auch für Leadership sehr wichtig sind: Teamfähigkeit, Disziplin und Transparenz. Man gewinnt immer als Team. Der Rennfahrer ist zum Beispiel nichts ohne seine Mechaniker. Er muss fähig sein, seine Rennstrategie klar zu beschreiben und ständig seine Versuche und Irrtümer offen zu kommunizieren. Talent reicht nicht aus. Man muss in jeglicher Hinsicht sehr hart trainieren. Und Verantwortung übernehmen.

Welche Teamkultur haben Sie vorgefunden, als Sie 2014 in die Firma kamen?

In der Generation meines Vaters wurde Führung anders verstanden als heute. Als ich 2015 Mitglied des Executive Boards wurde, habe ich begonnen, die Organisationsstruktur zu verändern. Das ist nicht leicht, aber es funktioniert Schritt für Schritt. Unsere Führungskräfte sind eine gute Mischung: je zur Hälfte junge Kollegen, die ich selbst eingestellt habe, und Kollegen, die hier in der Firma schon sehr lange arbeiten.

Was ist die größte Veränderung?

Mein Vater hat das Unternehmen als Markenlizenzunternehmen aufgebaut. Aber nur mit Lizenzen können wir nicht wachsen und nicht in ausländische Märkte expandieren. Wir haben daher bestimmte Produktkategorien restrukturiert und begonnen, eigene Design- und Produktlinien aufzubauen. In unserer Beziehung zu unseren Lizenznehmern sind wir sehr limitiert. Daher suchen wir tiefere, langfristige Partnerschaften. Im Jahr 2018 sind wir ein Joint Venture im IoT-Sektor mit der DASAN Networks Company in Südkorea eingegangen, 2019 mit einer Schweizer Uhrenmanufaktur. Jetzt stehen wir kurz vor dem Abschluss einer Partnerschaft in unserem neuen Geschäftsfeld Sonnenbrillen. Zwei weitere Partnerschaften werden wir eingehen, aber zu diesem Zeitpunkt kann ich nichts zum aktuellen Stand der Verhandlungen sagen. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir zu Beginn unserer neuen Wachstumsstrategie 80 Prozent unseres Umsatzes mit Lizenzunternehmen gemacht haben und 20 Prozent mit Direktvertrieb. Unser Ziel ist ein Verhältnis von 50 zu 50.

Wie akzeptiert und versteht Ihr Vater diese neue Strategie?

Zu Beginn haben wir sehr viel diskutiert. Es war keine leichte Entscheidung für ihn, sich stärker auf den Direktvertrieb zu fokussieren. Aber er hat es akzeptiert und noch viel wichtiger: Er vertraut mittlerweile unserer internationalen Wachstumsstrategie. Es geht hier nicht um Visionen oder Finanzen, sondern schlichtweg um Vertrauen. Eine weitere Herausforderung für meinen Vater ist die Entwicklung einer Digitalstrategie. Wir verdienen unser Geld mit hochwertigen Luxusgütern, und wir brauchten dringend digitale Kanäle und eine neue Herangehensweise. Mein Vater dachte hier immer noch in der Kategorie von Anzeigen in Printmagazinen. 

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Ihrem Vater verändert?

Mein Vater hat einen sehr starken Charakter und ist extrem kreativ. Es war wirklich nicht leicht zu Beginn. Aber wir haben eine gute Balance gefunden. Wir tauschen ständig Ideen und Gedankenansätze aus. Wir sind heute beste Freunde. Mein Vater beginnt sogar, sich ein wenig zu entspannen. Er kommt jeden Tag drei bis vier Stunden ins Büro. 95 Prozent der operativen Arbeit liegen aber in meinen Händen. Mein Vater wird niemals in Rente gehen. Und ich möchte auch nicht, dass er in Rente geht, weil ich immer noch von ihm lerne. Im Jahr 2015 wurde ich sein persönlicher Assistent. Er bezog mich in Entscheidungen ein, ich lernte alles über unsere Bereiche und auch über unsere Familienphilosophie.

Wie würden Sie diese Philosophie beschreiben?

Alles dreht sich um die Familie. Die Firma ist nicht zu meinem Vorteil da. Das, was für mich gut ist, ist auch gut für die Familie. Wir sind getrieben vom Teilen. Und wir unterscheiden nicht zwischen denen, die in der Firma arbeiten, und denen, die nicht dort arbeiten. Mein Vater hat sehr hart für die Zukunft der Firma und der Familie gearbeitet. All das bedeutet Herkunft für uns.

Und Ihre Geschwister?

Ich habe vier jüngere Schwestern, zwei von ihnen haben bereits andere Berufswege eingeschlagen. Die Zwillinge sind 20 Jahre alt und stecken noch in der Ausbildung. Wir halten alle gleich viele Anteile am Unternehmen, aber als CEO habe ich mehr Stimmrechte als meine Schwestern. 

Quelle: wir


Altmann GmbH: Unternehmensnachfolge im zweiten Anlauf

Jahrelang stand für Gründer Hans-Jürgen Altmann fest, dass seine ältere Tochter seine Nachfolge bei der Altmann GmbH antreten würde. Der Plan scheiterte krachend. Heute führt die jüngere Tochter Alexandra Altmann die Firma. Wie kam das?

Geradlinig und ohne große Überraschungen – so sah die Karriere von Alexandra Altmann lange aus. Die 37-Jährige ist Wirtschaftsjuristin aus Überzeugung. 2009 macht sie ihr Diplom an der FH Bielefeld, danach heuert sie in der Rechtsabteilung des Holzwerkstoffherstellers Glunz AG an. Sie ist glücklich mit dem Job und ihren Aufgaben dort, hat nette Kollegen und versteht sich gut mit dem Chef. Ab 2011 macht sie in Absprache mit dem Arbeitgeber ihren Master of Laws mit Abschluss 2014. Alles spricht für eine erfolgreiche Laufbahn als Unternehmensjuristin. „Ich war gern Angestellte“, sagt sie. Doch es kommt anders. Nur ein Jahr später nimmt sie bei Glunz ihren Abschied, um etwas zu tun, mit dem sie selbst am wenigsten gerechnet hätte: Sie wird Geschäftsführende Gesellschafterin der Altmann GmbH Bauteile für Mess- und Regeltechnik im ostwestfälischen Herford, die ihr Vater Hans-Jürgen Altmann vor rund 50 Jahren gegründet hat.

Seit Alexandra Altmann denken kann, war klar, dass ihre drei Jahre ältere Schwester das Familienunternehmen eines Tages übernehmen würde: Ariane Altmann hat ihre ersten Jobs als Schülerin bei der Altmann GmbH, nach dem Abitur absolviert sie ab 1999 ein duales Studium, davon den betrieblichen Teil in der Firma der Eltern. Nach dem Abschluss soll sie sukzessive Verantwortung übernehmen, zunächst für Buchhaltung und Personal, dann als Prokuristin. 2012 wird sie Geschäftsführerin, gemeinsam mit dem Vater. So weit scheint alles nach Plan zu laufen.

Praktisch allerdings zeichnet sich immer mehr ab: Je mehr Verantwortung Ariane Altmann im Betrieb übernimmt, umso schlechter wird das Verhältnis zu ihrem Vater, zu verschieden sind ihre Herangehensweisen. „Mein Vater ist als Gründer ein Unternehmer alter Schule“, sagt Alexandra Altmann. Auf der einen Seite der voll von sich und seinem Produkt überzeugte Chef-Techniker und Gründer, der die Firma straff durchorganisiert hat und über dessen Schreibtisch jeder Prozess im Unternehmen geht. Auf der anderen Seite die Tochter als Vertreterin der jüngeren Generation, gut ausgebildet, mit einem anderen Verständnis von Zusammenarbeit und dem starken Wunsch, eigene Entscheidungen zu treffen. Vater und Tochter geraten oft aneinander, die Mitarbeiter sind verunsichert, es bilden sich Lager zwischen den Generationen. Zwei Jahre nachdem sie in die Geschäftsführung berufen wurde, verlässt die Tochter 2014 das Unternehmen. Auch das private Verhältnis der beiden wird auf eine harte Probe gestellt.

Während Ariane Altmann eine neue berufliche Herausforderung sucht und findet, stehen in Herford die Zeichen auf Sturm. Infolge ihres Weggangs kündigen auch langjährige Mitarbeiter in Führungspositionen. Hans-Jürgen Altmann ist wieder allein an der Spitze, mit Mitte 70 und ohne geregelte Nachfolge in Aussicht – das beunruhigt die Belegschaft und offenbar auch ihn selbst. Auf der Suche nach einer Lösung fungiert die jüngere Tochter Alexan­dra für den Vater als außenstehende Gesprächspartnerin. „Ich war in dieser Situation in der Familie so eine Art Bindeglied, ich wollte immer vermitteln“, sagt sie. Im November 2014 sprechen sie über verschiedene Optionen, vor allem Fremdgeschäftsführung und Verkauf stehen zur Debatte, aber sie drehen sich im Kreis. „Mein Vater sagte immer, wir müssten jemanden finden, der die Firma in seinem Sinne weiterführt“, sagt Alexandra Altmann. „Und ich sagte immer: ‚Den wirst Du kaum finden.‘“ Bis sie sich eines Tages zu der Frage hinreißen lässt: „Oder soll ich es etwa machen?“

Direkt auf Augenhöhe

Der Vater, gerade 75 geworden, scheint nur auf dieses Angebot gewartet zu haben. Alexandra Altmann erbittet sich Bedenkzeit. „Es war klar: Wenn ich es nicht mache, besteht die Gefahr, dass alles den Bach runter geht“, sagt sie. Am Ende sagt sie Ja zur Nachfolge, stellt aber klare Bedingungen: Sie übernimmt den Job nur mit einhundertprozentiger Rückendeckung der Familie – also auch der nicht mehr im Betrieb tätigen Schwester. Zum Glück hat sich deren gescheiterte Nachfolge nicht auf das gute Verhältnis der Geschwister untereinander ausgewirkt. „Meine Schwester hat von vornherein gesagt, dass sie mich unterstützen wird, wo es geht“, sagt Alexandra Altmann. Ihre zweite Bedingung ist, sofort als Geschäftsführerin mit vollem Verantwortungsumfang einzusteigen. Keine Anlaufphase, keine Trennung der Ressorts. Stattdessen ein Schreibtisch vis-à-vis mit dem Vater, so dass sie aus erster Hand die Aufgaben kennenlernen und übernehmen kann. Der Vater stimmt zu. Anfang 2015 kündigt sie ihren alten Job und wird im Sommer Geschäftsführerin bei der Altmann GmbH.

Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen konnte: Im September 2015 hat Hans-Jürgen Altmann einen schweren Herzinfarkt. Jetzt bewährt sich, dass Alexandra Altmann auf klaren Verhältnissen zu ihrem Einstieg bestanden hat. Zwar ist sie erst seit kurzem im Betrieb, aber zumindest organisatorisch sind die Weichen dafür gestellt, dass sie die Firma allein leiten kann. Wie auch ihre Schwester hat sie eine ganz andere Herangehensweise als der Vater. Allein schon die Tatsache, dass er sich als selbständiger Unternehmer nie um seine eigene Altersvorsorge gekümmert hat, ist für die Juristin nicht nachvollziehbar. Sie denkt vorausschauend und teamorientiert, setzt auf Eigenverantwortung aller Beteiligten und strebt nach einer breiteren Aufstellung der Firma (siehe Kasten). Für den erforderlichen Kulturwandel sucht sie sich externe Begleitung. Zwar ist ihr Vater nach wie vor Geschäftsführer, aber nach der gesundheitsbedingten Auszeit nimmt er seine Tätigkeit nicht mehr in vollem Umfang auf. Ein Jahr nach ihrem Einstieg überträgt er Alexandra alle Anteile an der Firma. „2017 kam er noch ins Büro“, sagt Alexandra Altmann. „Anfang 2018 meinte er dann, er bräuchte hier wohl keinen Schreibtisch mehr.“

Warum ist der Generationenwechsel im zweiten Anlauf gelungen? Vielleicht war es die Tatsache, dass Hans-Jürgen und ­Alexandra Altmann zuvor nie zusammengearbeitet haben und so die nötige Distanz hatten, um Fragen ergebnisoffen anzusprechen. Sicherlich war auch der Druck auf Hans-Jürgen Altmann größer und er selbst nach dem ersten, gescheiterten Versuch kompromissbereiter und offener für die Bedingungen seiner Tochter. Und auch seine Erkrankung hat den Prozess sicher beeinflusst.

Klar ist heute, dass alle Mitglieder der Familie mit der Zeit die nötige Distanz entwickelt haben, um mit den zurückliegenden Krisen und Konflikten umzugehen und an entscheidenden Stellen zwischen Familien- und Unternehmensthemen zu trennen. Hans-Jürgen Altmann hat losgelassen. „Das Unternehmen ist kaum noch ein Thema zwischen uns“, sagt Alexandra Altmann. „Er fragt mich nicht nach Einzelheiten, und ich erzähle ihm höchstens ab und zu davon.“ Ihre Schwester Ariane ist inzwischen ins Unternehmen zurückgekehrt und verantwortet heute die Bereiche Finanzen und IT. Sie ist auch diejenige, die für den Notfall mit wichtigen Vollmachten ausgestattet ist – für die Juristin Alexandra Altmann ein entscheidender Punkt: „Wenn ich morgen vor einen Baum fahre, muss der Laden weiterlaufen.“ Unter anderem hat sie zwei Mitarbeiter zu Prokuristen gemacht. Bisher hatten immer nur Familienmitglieder Prokura.

Aktuell stellt die Corona-Pandemie die junge Unternehmerin auf die Probe. Für 2020 rechnet sie mit Umsatzeinbrüchen von 20 bis 30 Prozent, erhofft sich aber über den von ihr angestoßenen Handel mit Asien auch Wachstumschancen, sobald die Krise nachlässt. Bei so großen äußeren Herausforderungen mag es gut sein, dass die unruhige Zeit innerhalb der Familie hinter ihr liegt. „Es sah lange nicht danach aus“, sagt Alexandra Altmann, „aber inzwischen können wir wieder alle zusammen in Urlaub fahren.“

Quelle: wir

Foto: Altmann GmbH


Weibliche Nachfolge im Fokus: „Die Unternehmensnachfolge ist meine Herzensangelegenheit.“

Nachfolge in drei Etappen: Im Jahr 2016 übernahm Melanie Baum vollständig das Industrieunternehmen Baum Zerspanungstechnik aus Marl im Ruhrgebiet von ihrem Vater. Die Übergabe wurde mit einem ausgeklügelten Nachfolgeplan verwirklicht.

Melanie Baum ist mit dem Familienunternehmen aufgewachsen. Bereits als Kleinkind hat sie in den Spänen gespielt und ihr Taschengeld in der Schulzeit mit diversen Nebenjobs im Betrieb aufgebessert. Dass sie einmal fest ins Unternehmen einsteigen würde hat sich wohl schon damals abgezeichnet, dennoch empfand sie den Familienbetrieb immer als eine Option unter vielen. “Meine jüngere Schwester und ich sind stets mit der Unterstützung unserer Eltern aufgewachsen. Sie haben immer gesagt wir sollen das tun was uns Spaß macht. Das war rückblickend ein Geschenk”, so die Unternehmerin.

Schon während ihres Studiums begann Melanie Baum Ideen und Verbesserungsvorschläge für das Familienunternehmen zu entwickeln und merkte immer mehr wieviel Leidenschaft sie für den Betrieb hegte. Nach ihrem Auslandssemester in Andalusien bat ihr Vater Hans-Peter Baum sie kurzfristig um einen vollzeitigen Einstieg ins Unternehmen. Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise traf die Kund*innen im Maschinenbau und in weiterer Folge die Baum Zerspanungstechnik hart. Nach den erfolgreichsten Geschäftsjahren der Unternehmensgeschichte von 2006 bis 2008, wurde der Betrieb innerhalb kürzester Zeit aufgrund der Krise ein Sanierungsfall.

Rückblickend sieht Melanie Baum diese oft schwierige Zeit als eine wertvolle Erfahrung an, denn sie lernte in Windeseile was es bedeutet ein Unternehmen erfolgreich zu führen und im Zuge von Sanierungsarbeit sämtliche Unternehmensbereiche neu zu strukturieren. Schlussendlich konnten sie alle Arbeitsplätze halten und das Unternehmen wieder in die Gewinnzone führen.

Mit einem durchdachten Nachfolgeplan übernahm Melanie Baum schrittweise die Geschäftsführung der Baum Zerspanungstechnik. Zwei Jahre durchwanderte sie Vollzeit als Trainee das Unternehmen, zwei Jahre begleitete sie ihren Vater und das Führungsteam und die letzten zwei Jahre begleitete der Vater die Tochter. Nach jeder Etappe wurde entschieden ob eine weitere Zusammenarbeit zielführend ist. “Wir schauten uns bereits nach dem ersten Jahr in die Augen und mussten gar nicht mehr viel sagen: es war klar, dass ich Unternehmerin bin und auf die Nachfolge hinarbeiten werde”, erinnert sich Baum. Sie betont wie wichtig der Faktor Zeit und eine vorausschauende Planung bei der Unternehmensführung sind. Kurz nach der erfolgreichen Übernahme verstarb ihr Vater unerwartet und sie ist sehr dankbar, dass die Nachfolge vorab gesichert war.

Heute hat das Unternehmen 60 Mitarbeiter*innen und kann auf eine Umsatzsteigerung von über 1 Million Euro blicken. Die Angestelltenzahl hat sich um sieben Stellen erhöht und der Maschinenpark ist um fünf Aggregate gewachsen. Als besondere Stärke des Betriebs beschreibt Baum die Unternehmenskultur. Neben Wachstum, Professionalität und Verantwortung hat vor allem das Miteinander den größten Stellenwert. “Ich liebe es Unternehmerin zu sein und ich liebe das Unternehmen Baum Zerspanungstechnik – dabei denke ich nicht an ein Logo, Gebäude, Kontostand oder Namen: Ich denke an die Menschen, denn sie machen das Unternehmen aus”, erzählt die Chefin begeistert.

Melanie Baum engagiert sich ehrenamtlich in der IHK Nordwestfalen als Vizepräsidentin, hält Vorträge zum Thema Unternehmensnachfolge und ist Botschafterin der NRW.BANK. “Es ist mir eine Herzensangelegenheit anderen Senioren im Nachfolgeprozess Erfahrungen der Junioren zu spiegeln und an die unternehmerische Verantwortung zu appellieren”, so die Nachfolgerin.

Melanie Baum, Finalistin der internen Nachfolge, Next Generation Award 2020
Baum Zerspanungstechnik e.Kfr., Marl, Nordrhein-Westfalen

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Weibliche Nachfolge im Fokus

Der VdU verleiht zum dritten Mal den Next Generation Award, den VdU-Preis für die Unternehmensnachfolgerin des Jahres. Mit dem Next Generation Award möchte der VdU zwei außergewöhnliche Frauen auszeichnen, die den Schritt als familieninterne und externe Nachfolgerinnen gegangen sind und anderen Mut machen. Die Finalistinnen des diesjährigen Next Generation Awards haben allesamt Mut, visionäre Kraft und Durchhaltevermögen bewiesen und sind somit ein wichtiges Vorbild für junge Frauen – wir freuen uns darauf, Ihnen die Nachfolgerinnen in den kommenden Wochen vorzustellen.

Quelle: Verband Deutscher Unternehmerinnen


So hat der Glashersteller Heinz-Glas die Nachfolge organisiert

Nach 43 Jahren an der Spitze übergibt Carl-August Heinz, in zwölfter Generation CEO des oberfränkischen Glasherstellers Heinz-Glas, seinen Posten an seine Tochter Carletta Heinz. Wie funktioniert der Generationenwechsel, wenn zwei Dickköpfe aufeinandertreffen?

Carl-August Heinz (70) und seine Tochter Carletta (36) sind sich nicht einig, wie so oft. Beide philosophieren über das Motto der Firma, das schon seit dem Mittelalter die Losung der Glasmacher ist: „Es ist ein unendlich’ Kreuz, Glas zu machen.“ Das stimme schon, sagt Carletta Heinz, die Glasherstellung sei energie- und kostenintensiv, der Markt umkämpft, der Wettbewerb groß, „aber es macht schon auch Spaß“. Der Vater verwehrt sich dagegen. „Ich habe ein Problem mit dem Wort Spaß“, sagt der CEO der Firma stirnrunzelnd. „Ich würde es eher Faszination nennen oder Herausforderung.“

Auf ihre Art passen Vater und Tochter gut zusammen. Beide sind nicht zimperlich, am wenigsten miteinander. Sie korrigieren sich gegenseitig, zuweilen fallen sie sich ins Wort. Von gespielter Einigkeit der Generationen ist nichts zu sehen. Dennoch sitzen sie am selben Tisch in Carletta Heinz’ Büro am Stammsitz des Glasherstellers Heinz-Glas im oberfränkischen Kleintettau, nur wenige Hundert Meter von der thüringischen Grenze entfernt. In wenigen Tagen wird Carletta ihrem Vater auf dem Posten des CEO folgen und damit verantwortlich für die Firmengruppe, die rund 3.300 Mitarbeiter beschäftigt, in normalen Zeiten täglich etwa 4 Millionen Glasflakons für Kosmetik und Parfüm herstellt und damit zuletzt mehr als 300 Millionen Euro Umsatz erzielte. Wie haben sie sich auf dieses gemeinsame Ziel eingeschworen?

Seit 43 Jahren leitet Carl-August Heinz das Familienunternehmen, das seine Wurzeln bis ins Jahr 1622 zurückverfolgen kann (siehe Kasten). Treibende Kraft hinter seinem Einstieg war sein Onkel Heinrich Heinz, der das Unternehmen zusammen mit Carl-Augusts Vater Adolf führte. Heinrich habe ihn geradezu darauf dressiert, sich zur operativen Nachfolge zu verpflichten. „Ich war noch nicht mal eingeschult, da wollte er von mir wissen: Sag mir, machst du es, oder machst du es nicht?“, berichtet Heinz. Entsprechend früh legte er sich auf einen späteren Einstieg ins Unternehmen fest. Das unternehmerische Erbe auch in elfter Generation zusammenzuhalten und zu mehren hat für ihn seit jeher oberste Priorität. Als der Onkel Heinrich Heinz 1973 kinderlos starb, vererbte er seinem Patensohn Carl-August, der zu diesem Zeitpunkt mitten im Studium steckte, seine Anteile an der Firma.

Im Jahr 1977 – Carl-August war 27, hatte sein Kaufmannsdiplom und einen Arbeitsvertrag bei einem amerikanischen Glasproduzenten in der Tasche – starb sein Vater Adolf unerwartet früh. Statt erst einmal externe Erfahrungen zu sammeln, wurde Carl-August auf einen Schlag Alleingeschäftsführer und zusammen mit seinem jüngeren Bruder Hauptgesellschafter. „Das kam sehr abrupt – und war daher eigentlich ganz einfach“, sagt er heute. Zum einen, weil durch den Tod des Vaters ein klarer Schnitt gemacht war, wodurch er die volle Verantwortung hatte.

Zum anderen sei allen Beteiligten – Kunden, Wettbewerbern, zum Teil auch alteingesessenen Mitarbeitern – bewusst gewesen, dass er für den Job eigentlich noch nicht bereit war und eine gewisse Lernphase brauchte. „Ich konnte praktisch nicht viel, aber das hat auch keiner erwartet, und ich selbst hab’s gewusst“, erinnert sich Heinz. Für das unternehmerische Fortbestehen war die fehlende Übergangsphase seiner Meinung nach gar nicht so gefährlich, wie man vermuten könnte. „Die größte Gefahr für das Geschäft ist die Selbstüberschätzung“, sagt er. „Ich war vorsichtig – ich wusste ja, dass ich meinen Vater nicht mehr habe.“ Die fehlende Beratung durch den Vater versuchte er durch die Expertise langjähriger Mitarbeiter zu ersetzen: „Das waren Prokuristen, keine Mitgeschäftsführer, aber alles alte Haudegen mit Weltkriegserfahrung. Denen hat nichts Panik gemacht.“

Unterstützung braucht Heinz in diesen ersten Jahren auch, denn die Glasherstellung ist ein hartes Brot. Nach dem Tod des Vaters ist er erst einmal mit der Konsolidierung des Geschäfts beschäftigt, er muss den Betrieb in unmittelbarer Zonenrandlage und den 1949 gegründeten Zweigbetrieb in der Eifel am Laufen halten, später die Internationalisierung vorantreiben, um überleben zu können. Schon kurz nach seinem Einstieg 1977 stürzt die zweite Ölkrise die energieintensive Branche in ernste Schwierigkeiten und fordert seine Belastungsfähigkeit und Entschlossenheit. Unter anderem bereinigt er das Portfolio des Stammwerks, das zu diesem Zeitpunkt noch viele Standardprodukte wie Getränkeflaschen herstellt, und legt so den Grundstein für die heutige Spezialisierung als Anbieter von hochwertigem Kosmetikglas. „Sehr viel Arbeit, sehr wenig Schlaf“ ist der Nenner, auf den er diese Zeit bringt. Als Geschäftsführer und Mehrheitseigner ist er die letzte Instanz für jede Entscheidung, das ist ihm überdeutlich bewusst. Sein Vater, der sich sein Leben lang weigerte, als Direktor des Werks angesprochen zu werden, habe ihm den Lehrsatz mitgegeben: „Ich bin Unternehmer, ich bezahle alle meine Fehler selbst.“

Zwar hat die Firma in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit Geschwister-Doppelspitzen gemacht, doch in Carl-Augusts Generation scheitert dieses Modell. Ab 1985 führt er die Geschäfte gemeinsam mit dem fast acht Jahre jüngeren Bruder Ludwig Karl-Friedrich Heinz, der seit dem Tod des Vaters wie Carl-August über ein Anteilspaket von 46 Prozent verfügte. In dem Jahr erwarb Carl-August Heinz gegen die Meinung fast aller in der Familie und der Firmenführung eine namhafte, aber in Konkurs geratene französisch-belgische Flakonglashütte und gründete eine Glasdruckerei bei Würzburg. Neben Kollisionen der Brüder bei der fachlichen Zuständigkeit bekommt der Jüngere zunehmend Angst vor der Verantwortung und den Entscheidungen, die auf der Geschäftsführung lasten. 2003 steigt er endgültig aus und verkauft seine Anteile überwiegend an Carl-August, der damit wieder allein an der Spitze des Unternehmens steht.

Das ändert sich erst zehn Jahre später, als seine Tochter Carletta mit 29 Jahren in die Firma einsteigt. Zu diesem Zeitpunkt hat sie ihr Diplom in Betriebswirtschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg abgeschlossen und auch die Mitgründung und Geschäftsführung des Start-ups CityHunters hinter sich, eines Anbieters von Teambuilding-Events, an dem sie bis heute Anteile hält. Natürlich habe er sich gewünscht, dass seine einzige Tochter ins Unternehmen kommt, sagt Carl-August Heinz. In einem Unternehmen, in dem der umfangreiche Familienstammbaum sogar eines der großen Garagentore zum Werksgelände ziert, ist das wohl kaum anders zu erwarten. Anders als sein Onkel damals sei er aber darauf bedacht gewesen, seine Tochter nicht zur Nachfolge zu drängen. Noch während ihres Studiums brachte er mehrmals alternative Szenarien ins Gespräch, in zwei Fällen ging es um konkrete Übernahmeangebote durch größere Wettbewerber oder Investoren, die bis heute immer mal wieder auf seinem Tisch landen. Für diese Versuche ihres Vaters, der Situation den Druck zu nehmen und ihr mögliche Exit-Strategien aufzuzeigen, hat Carletta Heinz bis heute kein Verständnis: „Ich habe jedes Mal gesagt: Papa, was redest du denn da? Wir haben hier eine Tradition zu verteidigen.“

Während Carl-August Heinz die Leitung der Firma Knall auf Fall übernehmen musste, plant er mit Carletta ab 2013 eine längere Einarbeitungsphase, in der sie hintereinander verschiedene Ressorts kennenlernt, erst im Controlling, später im Personalbereich und im Marketing. Zugleich scheint Carl-August Heinz bestimmte Umstände seiner eigenen Situation bei der Nachfolge – kein übermächtiger Vater, umfangreiche Entscheidungsfreiheit – auf entschärfte Art und Weise zu reproduzieren: Ihm ist wichtig, Carletta einen erfahrenen Berater an die Seite zu stellen, er hält es aber nicht für sinnvoll, diese Rolle selbst einzunehmen. Stattdessen holt er einen externen Manager in die Führung des Unternehmens, der als Mentor für Carletta fungiert. „Ich habe mich bewusst von ihr ferngehalten“, sagt er rückblickend.

Zugleich räumt er ihr umfangreiche Entscheidungsfreiheit ein, ähnlich wie er sie nach dem Tod des Vaters hatte. „Erzähl’s mir nicht, mach’s!“, sagt er. Anders als bei seinem jüngeren Bruder zu Zeiten der Doppelspitze ist er damit bei Carletta an der richtigen Adresse. Nur ein Jahr nach ihrem Einstieg etabliert sie 2014 das Thema Nachhaltigkeit als strategisches Ziel im Unternehmen und gründet ein globales Nachhaltigkeitsteam. Allein in den zwei Schmelzwannen am Stammsitz werden pro Tag jeweils 50 bis 70 Tonnen Rohstoffe bei 1.600 Grad Celsius zu Glasmasse verflüssigt. Der damit verbundene hohe Energiebedarf bietet einen großen Hebel, um ökologisch wie ökonomisch wirksame Einsparungen zu erzielen. Deshalb werden bei Heinz-Glas in Kleintettau diese Anlagen inzwischen ausschließlich elektrisch beheizt, mit Strom aus erneuerbaren Quellen. Auch die Digitalisierung des Betriebes auf allen Ebenen gehört zu den Verdiensten von Carletta Heinz, die im Grundstudium auch Wirtschaftsinformatik studiert hat. Im Sommer 2017 wird sie Chief Information Officer bei Heinz-Glas, 2019 kommt noch das Strategie-Ressort dazu, aktuell arbeitet sie an der Einführung eines neuen ERP-Systems.

Nachfolge als Holperstrecke

„Ich arbeite sehr geordnet und denke gern in Prozessen“, beschreibt Carletta Heinz ihre Arbeitsweise. „Das hat sie von ihrer Mutter“, kommentiert der Vater halb im Scherz. Tatsächlich habe er zeit seines Lebens eher aus dem Bauch heraus entschieden. Der „kreative Stil“, den Carletta ihrem Vater bescheinigt, liegt ihr fern. Die unterschiedliche Herangehensweise macht den Nachfolgeprozess zuweilen holperig, doch das hatten beide offenbar nicht anders erwartet. „Der elegante Übergang funktioniert eh nicht“, sagt Heinz. „Als ich damals angetreten bin, sind wir diese Holperstrecke nur umgangen, weil einfach niemand zweites in der Familie da war, mit dem man sich auf Augenhöhe auseinandersetzen konnte.“

Dass es Vater und Tochter dennoch gelingt, konstruktiv zusammenzuarbeiten, führt Carletta auf ihr gemeinsames Werte- und Zielverständnis zurück. „Wir wollen oft das Gleiche, haben aber sehr unterschiedliche Wege dorthin.“ Charakterlich sind sie sich ohnehin sehr ähnlich, das ist beiden klar. Carl-August Heinz beschreibt sich selbst als ruppig, rau und ungeduldig, gerade gegenüber Familienmitgliedern: „Bei denen geht man ja davon aus, dass sie es eigentlich genau so sehen beziehungsweise besser wissen müssten.“ Carletta nickt jede dieser Eigenschaften ab mit dem Kommentar: „Bin ich auch.“ Vater wie Tochter wirken auf ihre Art nachdrücklich, fast kämpferisch, er ernst und überlegt mit etwas versteckter Ironie, sie eher schlagfertig und mitteilsam. Die wohl wichtigste Gemeinsamkeit ist, dass sie das Kreuz des Glasmachens auf sich nehmen wollen, inklusive der Verantwortung, der Entscheidungen, der Fehler, die sie selbst bezahlen. In drei Schritten hat ihr Vater Carletta seit 2004 das Gros seiner Anteile übertragen, er selbst hält inzwischen nur noch ein symbolisches Prozent. „Ich bin nur noch Angestellter meiner Tochter“, sagt Heinz.

Und auch das ist er nicht mehr lange: Mit 70 Jahren gibt er den CEO-Posten an Carletta ab, so hat er es sich vorgenommen, Stichtag ist der 4. Juni 2020. Ob er gut loslassen könne? „Die Leute werden staunen“, sagt der Unternehmer lachend. Länger ins Ausland gehen, so sein eigentlicher Plan, kann er aktuell nicht. Dennoch ist ihm wichtig, eine gewisse Distanz zum Unternehmen zu schaffen. „Wenn sich hier nach einem halben Jahr alles eingespielt hat, pflege ich meine Hobbys und schaue mir als Aufsichtsrat die Monatsergebnisse an“, sagt Heinz. „Ich werde mit Sicherheit nicht wie der pensionierte Ehemann alle Topfdeckel hochheben und dann auch noch drin herumrühren.“ Wenn das gelingt, wird das „unendlich’ Kreuz“ des Glasmachens für Carl-August Heinz bald doch ein Ende haben.

Quelle: wir


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