Externe Nachfolge

Unternehmensnachfolge bei der Tengelmann-Gruppe

Tauziehen um die Nachfolge

Text: Andrea Martens Fotos: adobestock

Nachdem der Chef der Tengelmann-Gruppe, Karl-Erivan Haub, im Frühjahr 2018 bei einer Skitour spurlos verschwand, entbrannte zwischen den Zweigen seiner Familie ein langer, heftiger Streit um das Erbe. Doch dieser könnte nun vielleicht bald beigelegt werden.

Es ist der 7. April 2018, als die Tragödie ihren Anfang nimmt. Karl-Erivan Haub, geschäftsführender Gesellschafter der milliardenschweren Unternehmensgruppe Tengelmann mit Hauptsitz in Mülheim an der Ruhr, bricht am Morgen dieses Samstags bei frühlingshaftem Wetter auf der Bergstation des Kleinen Matterhorns zu einer Skitour auf. Am Abend zuvor hat der 58-jährige CEO des Familienunternehmens in einem Luxus-Hotel in Zermatt eingecheckt. Doch dorthin wird „Charly“, wie seine Freunde ihn nennen, nie zurückkehren.

Sechs Tage lang suchen Bergretter mit Spürhunden in dem riskanten Gletschergebiet am Kleinen Matterhorn nach Haub, der als erfahrener Extremsportler gilt. Doch von Charly keine Spur, er bleibt verschollen. Auch nach der Schneeschmelze wird sein Leichnam nicht gefunden. Und mit dem mutmaßlichen Unglück in den Bergen beginnt in einer der reichsten Unternehmerfamilien Deutschlands ein zermürbender Streit um Macht, viel Geld und offenbar auch getragen von alten Verletzungen in der Familie.

Karl-Erivan Haub hatte knapp 20 Jahre vor seinem Verschwinden die Leitung der Tengelmann-Gruppe von Vater Erivan übernommen. Sein jüngster Bruder Christian und dessen Ehefrau Liliane leben mit ihren vier Kindern bereits seit Jahrzehnten in den USA, wo sie die Nachricht von Charlys vermutetem Skiunfall erreicht. Der gelernte Investmentbanker Christian Haub hatte jenseits des großen Teichs einst die Betreuung der konzerneigenen Supermarktkette A&P, der US-Immobilien und einiger Private-Equity-Aktivitäten übernommen.

Bruder Christian übernimmt die Geschäftsführung
Nun kehrt Christian nach Mülheim zurück, um im Familienunternehmen die Geschäftsführung zu übernehmen. Georg, der mittlere der drei Haub-Brüder, soll gesundheitlich angeschlagen sein, er kommt für die Führungsposition offenbar nicht infrage. Doch Christian beruft Bruder Georg in den Beirat des Unternehmens – vermutlich aus taktischen Gründen. Der Beirat ist ähnlich wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft mit weitreichenden Kompetenzen bei wichtigen Entscheidungen, etwa über Investitionen oder Personalien, ausgestattet. Karl-Erivan Haubs Ehefrau Katrin sowie seine Kinder, die Zwillinge Viktoria und Erivan, sind in dem Gremium nicht vertreten, können dort über künftige Weichenstellungen für die Unternehmensgruppe also nicht mitreden.

Nur ein Jahr nach Charlys Verschwinden sind die Fronten in der Haub-Familie völlig verhärtet. Zu dieser Zeit berichtet das „Manager Magazin“, Insider würden bereits die Zerschlagung des Traditionsunternehmens erwarten, das mehr als 150 Jahre zuvor gegründet worden war und das Erivan Haub ab den 1970er-Jahren zum größten Handelskonzern Deutschlands ausbaute.

Die Zwillinge sind im Frühjahr 2019 26 Jahre alt. Vater Karl-Erivan hatte bestimmt, dass die Kinder einmal seine Firmenanteile übernehmen sollten. Das war offenbar auch die Absicht der Geschwister. Beide wollten ins Unternehmen einsteigen, vor allem Viktoria hatte ihren Vater vor seinem Verschwinden bereits öfter zu wichtigen Terminen oder Besprechungen begleitet. Jetzt steht die geplante Unternehmensnachfolge auf dem Spiel.

Das Problem mit der Erbschaftssteuer
Der wesentliche Grund für die Misere des „Familienzweigs Charly“ war die Erbschaftssteuer. Würden Karl-Erivans Anteile an der Tengelmann-Gruppe auf seine Kinder übergehen, so fiele für sie die Zahlung einer Summe in dreistelliger Millionenhöhe an das Finanzamt an. Natürlich könnte das Unternehmen die Erbschaftssteuer stemmen, wie in einer solchen Situation eigentlich üblich. Doch diese Rechnung hatten die Zwillinge und Mutter Katrin Haub ohne Christian und Georg gemacht. Denn die Brüder waren offensichtlich noch in alten Familien-Zwistigkeiten gefangen.

So herrschte Christian Haub als alleiniger geschäftsführender Gesellschafter über Tengelmann. Christian und Georg wollten Karl-Erivan für tot erklären lassen. In diesem Fall hätte die zu zahlende Erbschaftssteuer ein Mittel sein können, um Katrin Haub und die Zwillinge aus dem Unternehmen zu drängen. Wäre es Charlys Nachkommen nicht möglich, die Steuer zu leisten, bliebe ihnen nur die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen oder einem Verkauf von Firmenanteilen zuzustimmen. Doch Katrin wehrte sich dagegen, ihren Ehemann für tot erklären zu lassen – und kämpfte. Inzwischen war ihr per gerichtlicher Anordnung die sogenannte Abwesenheitspflegschaft zugefallen. Damit konnte sie die Stimmrechte ihrer Familie ausüben, immerhin 34,35 Prozent.

Das Lebenswerk erhalten
Katrin Haub und ihre Kinder machten sich für den Erhalt des Lebenswerks von Unternehmer Karl-Erivan stark. Bruder Christian spielte mit dem Gedanken, die Belegschaft deutlich zu reduzieren. Auch die Mülheimer Zentrale möchte er zu dieser Zeit aufgeben. Katrin und die Zwillinge hingegen sind sich sicher, dass dies nicht im Sinne von „Charly“ gewesen wäre. Sie stemmen sich gegen eine Veräußerung.

In der Tat wäre eine Aufspaltung der Tengelmann-Gruppe auch nicht so leicht über die Bühne zu bringen. Zunächst einmal müssten dafür die zerstrittenen Zweige des Haub-Clans eine Übereinkunft treffen. Darüber hinaus wäre aber auch die Zustimmung familienferner Anteilseigner nötig.

Nicht zu vergessen ist, dass etwa die Baumarktkette OBI, die zur Tengelmann-Gruppe zählt, zu gut einem Viertel der Lueg-Gruppe gehört. Der Gründer des Textildiscounters KiK, Stefan Heinig, hält noch 16 Prozent der Anteile an dem Unternehmen, das ebenfalls Teil des Familienkonzerns ist. Und die Firmengruppe ist noch viel größer: Neben den Handelstöchtern KiK, OBI und Tedi gehören die Immobiliengesellschaft Trei Real Estate sowie Beteiligungen an US-Unternehmen und Firmen in Europa dazu, unter anderem an Zalando und Delivery Hero.

Doch nicht nur rein geschäftliche und finanzielle Gründe sollen noch bis Ende 2020 eine Einigung der Familienstämme verhindert haben. Immer wieder war in den Medien zu lesen, es dürften auch Narben früherer Verletzungen eine Rolle gespielt haben. Mutter Helga habe in der Vergangenheit Sohn Charly oft bevorzugt, was die Brüder Christian und Georg offenbar nicht ganz vergessen konnten. Christians Ehefrau Liliane soll mit ihrer Schwägerin Katrin nicht unbedingt ein freundschaftliches Band verbunden haben. Katrin wiederum sei nicht begeistert davon gewesen, dass sie ihre Position der „ersten Frau“ im Clan, die sie an der Seite von Karl-Erivan innehatte, an Christians Gattin Liliane abgeben musste.

Überraschende Veränderungen
Was genau von diesen öffentlich geäußerten Vermutungen über die Familien-Fehde tatsächlich der Wahrheit entspricht, wird sich wohl nie feststellen lassen. Klar ist aber, dass es im Streit um die Zukunft des Tengelmann-Konzerns im Januar dieses Jahres zu einer plötzlichen Wende kam. Nachdem Christian und Georg Haub gemeinsam mit zwei Tengelmann-Firmen schon im Oktober 2020 den Antrag gestellt hatten, Karl-Erivan für tot erklären zu lassen, zog Georg Haub diesen Anfang 2021 wieder zurück. Dafür schlossen sich Ehefrau Katrin und die Zwillinge den laufenden Anträgen auf Todeserklärung an.

Am 16. März 2021 hat das Amtsgericht Köln das Aufgebot erlassen und eine Frist bis zum 12. Mai gesetzt. Sofern sich bis dahin weder der Verschollene noch sonst jemand meldet, der Informationen über den Verbleib von Karl-Erivan Haub hat, kann der Tag seines Verschwindens als Todesdatum festgelegt werden. Ende April kam es dann zu einer zweiten Überraschung: Katrin Haub und die Zwillinge wollen ihre Anteile nun doch an Christian Haub verkaufen, berichtete die „Wirtschaftswoche“. Mit dem Anteilsverkauf würde der Streit in der Familie dann wohl endgültig beigelegt werden. Ein Streit, der mit einer Tragödie begann – am 7. April 2018 am Kleinen Matterhorn. 

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